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Haben Sie Vorbilder, Ralf Imstepf?

Haben Sie Vorbilder, Ralf Imstepf?

Ralf Imstepf beantwortet im Rendez-vous unsere – nicht unbedingt fachspezifischen – Fragen.

Erschienen in folgender Publikation:

Haben Sie Vorbilder, Ralf Imstepf?
Ausgabe
Seite(n)
838–840

Name: Ralf Imstepf

Beruf/Position: Co-Leiter der Rechtsabteilung MWST bei der ESTV und Assistenzprofessor für Steuerrecht an der Universität St. Gallen

Familie: Verheiratet mit Natalie Meleri, Vater von Theo (0)

Hobbys: Sport (Innenverteidiger des FC Bundesfinanz und Schneesportler) und Lesen

Warum wurden Sie Steuerrechtler? Was wären Sie sonst geworden?

Eigentlich war dies eher dem Zufall geschuldet. Um während des Studiums etwas dazuzuverdienen, arbeitete ich während den Semesterferien oft auf dem Bau. Dies war körperlich anstrengend, weswegen ich nach einer Alternative Ausschau hielt. Als eine Stelle als Hilfsassistent bei Prof. Matteotti am Institut für Steuerrecht der Uni Bern frei wurde, habe ich mich beworben und hatte das Glück, genommen zu werden. Schon nach wenigen Tagen war ich Feuer und Flamme für das Steuerrecht. Mittlerweile durfte ich mich in unterschiedlichen Funktionen (als Doktorand, als Gerichtsschreiber, als Anwalt, als Verwaltungsangestellter und als Assistenzprofessor) mit dem Steuerrecht auseinandersetzen und die Begeisterung ist geblieben. Ohne die Anstellung als Hilfsassistent wäre ich wohl Anwalt in einer kleinen Kanzlei geworden, was selbstverständlich auch toll gewesen wäre.

Leben Sie für das Steuerrecht?

Ja, das würde ich schon sagen. Da ich sehr viel Zeit mit Steuerrecht verbringe, wäre es auch ein wenig eigenartig, anders zu antworten. Die Auseinandersetzung mit steuerlichen Fragen begeistert mich. Selbstverständlich lebe ich aber nicht nur für das Steuerrecht, auch wenn meine Frau manchmal etwas anderes behauptet.

Haben Sie eine (geheime) Leidenschaft (neben dem Steuerrecht)?

Ich interessiere mich sehr für die Geschichte der Antike. Ab einem gewissen Alter wendet man sich halt entweder geschichtlich-philosophischen Themen zu oder man kauft sich ein Motorrad oder ein Rennvelo. Ich habe mich jetzt für Ersteres entschieden.

Welche drei Stichworte beschreiben Ihren Alltag?

Kommunikation – Lesen – Troubleshooting. In der Rechtsabteilung MWST arbeiten 95 Leute mit unterschiedlichsten Biografien. Für das Funktionieren der Abteilung ist die Kommunikation mit den Mitarbeitenden in Bezug auf fachliche, aber auch organisatorische und personelle Fragen von grundlegender Bedeutung. Auch gegenüber unseren Kunden – den Steuerpflichtigen – ist eine gute Kommunikation der wichtigste Erfolgsfaktor. Daneben lese ich viel (Entwürfe von Rechtsschriften und Rulings, Urteile der Gerichte, Fachbeiträge etc.). Und in unregelmässigen Abständen muss ich auch Feuerwehr spielen.

Was bringt Sie auf die Palme?

Fehlende Sorgfalt, geringe Leistungsbereitschaft und verschwendetes Potential.

Gibt es etwas, das Sie extrem nervt im Steuerbereich?

Teilweise wird das Steuerrecht zu stark mit Steuerpolitik vermischt. Selbstverständlich hat jeder, der Steuerrecht anwendet, auch ein politisches Vorverständnis, welches sein Auslegungsergebnis beeinflusst. Problembehaftet ist aber, wenn juristisch relevante Aspekte zur Verfolgung politischer Ziele bewusst ausser Acht gelassen werden.

Was macht einen erfolgreichen Steuerrechtler aus?

Ich glaube zu wissen, dass es drei Sachen sind: Sein, Schein und Schwein. «Sein» bedeutet, dass man sich steuerliches Wissen aneignen muss. Dies ist sicherlich hart, weil eine nicht zu leugnende Tendenz zu immer mehr und zu immer komplexerem Steuerrecht besteht. Dabei helfen aber die lernbaren Tugenden wie Fleiss, Sorgfalt und Kreativität. Sicherlich muss man auch wissen, wie man sich verkauft («Schein»). Erfolgreiche Juristen sind in der Regel gute Verkäufer. Und wie mit allem im Leben braucht man natürlich – aber eben nicht nur – Glück («Schwein»).

Was tun Sie in Ihrer Freizeit? Haben Sie überhaupt welche?

Natürlich habe ich Freizeit. Im Moment versuche ich möglichst viel davon mit meiner Frau und unserem Baby zu verbringen. Zudem spiele ich als (knallharter) Innenverteidiger beim FC Bundesfinanz, der inoffiziellen Mannschaft des Eidgenössischen Finanzdepartements. Im Winter bin ich so oft wie möglich auf den Skiern.

Wo liegt Ihr Sehnsuchtsziel?

Sicher in den Schweizer Bergen. Ein Tag im Goms, wo ich aufgewachsen bin, ist für mich erholsamer als zehn Wochen Ferien.

Was würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen (nicht mehr als drei Dinge)?

Etwas zum Schreiben, eine Zahnbürste und frische Unterwäsche.

Wie sollte der Titel Ihrer Autobiografie lauten?

Das ist eine lustige Frage. Es besteht kein Grund, eine Biografie über mich zu verfassen. Nach längerem Nachdenken würde ich wohl den Titel «Er kam, sah und ging wieder» wählen. Der Titel verbindet in schöner Weise die Vergänglichkeit des Lebens und die Tatsache, dass man halt im Leben und auch im Steuerrecht nicht immer gewinnt, mit meiner Affinität zur Antike.

Was käme aufs Cover Ihrer Autobiografie?

Nur der Titel und ja kein Foto. Das Buch soll sich ja verkaufen.

Wen möchten Sie unbedingt auf ein Feierabendbier treffen?

Wenn er noch leben würde, hätte ich gerne mit Peter von Roten ein Bier getrunken. Er war Mitte des 20. Jh. als katholisch-konservativer Politiker und Jurist tätig. Verheiratet war er mit der bekannten Feministin Iris von Roten aus evangelisch-grossbürgerlichem Haus. Der Historiker Wilfried Meichtry hat vor ein paar Jahren ein sehr spannendes Buch über das Verhältnis und die Biografien der beiden verfasst. Dabei hat er auch die Briefe, welche die beiden einander geschrieben hatten, in Auszügen abgedruckt. Die intellektuelle Tiefe der Briefe und die verwendete Sprache sind beeindruckend.

Welches Buch lesen Sie gerade?

Ich habe mir gerade letzte Woche ein neues Buch gekauft: «Hellas ruft» von Heinz J. Peter. Es erzählt die Lebensgeschichten von dreissig Schweizern, die während des Befreiungskriegs gegen die Osmanen Anfang des 19. Jh. die Griechen unterstützt haben. Zu jener Zeit kam in ganz Europa wieder die Begeisterung für die hellenische Geschichte auf. Auf dem Nachttisch liegt auch noch «Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Band 1: Der Zauber Platons» von Karl Popper. Das Werk beeindruckt mich mit seiner Aktualität, obwohl es vor achtzig Jahren geschrieben wurde. Zudem habe ich die Kurzgeschichtensammlung «Grundgefühle» von Natalie Meleri auf meinem Bücherstapel – hochspannende Literatur.

Haben Sie ein Vorbild/Vorbilder?

Ja, ich habe sehr viele Vorbilder, die ich kaum alle aufzählen kann: Ich hätte gerne die literarischen Fähigkeiten eines Maurice Chappaz, die strategische Geschmeidigkeit von Sepp Blatter, das wirtschaftliche Geschick von Kaspar Stockalper, das Selbstvertrauen von Christian Constantin, die diplomatischen Fähigkeiten von Kardinal Schiner, den rechten Fuss von Georges Bregy, den Fleiss meiner Eltern und die Sparsamkeit meiner Grossmutter.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, welche wären das?

(1) Ein langes, glückliches Leben, (2) Gesundheit für meine Liebsten und mich und (3) die Abschaffung eines Grossteils der Steuerausnahmen bei der Mehrwertsteuer. Bei zweien der drei Wünsche besteht die Chance, dass sie in Erfüllung gehen.

Welchen Rat würden Sie Ihrem jüngeren Selbst geben?

Schwierig. Letztendlich bin ich ja – wie jeder Mensch – das Produkt meiner Geschichte. Würde ich meinem jüngeren Selbst etwas raten, wäre ich ja heute ein anderer mit anderen Erfahrungen, der dann wieder seinem jüngeren Selbst etwas anderes raten würde. Wir kommen nicht aus unserer eigenen Haut heraus.