Oesterhelt/Oppliger
Rückerstattung der Verrechnungssteuer
2024, 356 Seiten
CHF 149.00
Stämpfli Verlag, Bern
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www.cosmosverlag.ch
Endlich – eine Darstellung der Rückerstattung der Verrechnungssteuer im internationalen Verhältnis. Den Autoren Stefan Oesterhelt und Oliver Oppliger sei verdankt, dass sie diesen weissen Fleck auf der fiskalischen Landkarte der Schweiz in Pionierarbeit gefüllt haben.
Ein Steuerrechtsprofessor hat die Verrechnungssteuer wie folgt umschrieben: «Toujours prendre – jamais rendre.» Im Bereich der internationalen Rückerstattung – zuständig hierfür ist ausschliesslich die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) – drängte sich manchmal das Gefühl auf, dieser Grundsatz werde tatsächlich gelebt: Es gibt weder ein Kreisschreiben noch andere hilfreiche Publikationen der ESTV, Gerichtsurteile sind selten und die internationale Rückerstattung ist effektiv, wie von den Autoren im Vorwort ihres Buches erwähnt, ein Dschungel, wo bis anhin für viele Fälle und Konstellationen Wegweiser und Kompass fehlten.
In die rückerstattungsrechtliche Dunkelheit fielen als Lichtschein die Präsentationen der beiden Autoren ab 2017 am Internationalen Steuerseminar des Instituts für Law und Economics (bis 2022: IFF) der Universität St. Gallen, welche nicht nur zu einer ständigen Darstellung von praktischen Fällen und Lösungen führten, sondern auch wesentlich zur Klärung, Festlegung, Ausprägung und Weiterentwicklung der heutigen Rückerstattungspraxis beigetragen haben. Der Schritt, aus dieser Referententätigkeit das vorliegende Buch zu schaffen, stellt eine wichtige weitere Entwicklungsstufe des Rückerstattungsrechts dar.
Wertvoll an «Rückerstattung der Verrechnungssteuer» ist, dass die Autoren den perfekten Spagat gefunden haben zwischen den notwendigen theoretischen Ausführungen und der praktischen Anwendung auf konkrete Fälle und eine kompakte und – soweit dies in einem dynamischen Rechtsgebiet wie dem internationalen Steuerrecht überhaupt möglich ist – vollständige Fallsammlung präsentieren. Die Autoren haben es geschafft, aus den Fallpräsentationen ein fiskalisch-literarisches Bijou zu kreieren. Es ist eine verrechnungssteuerliche Kardinalsregel, dass eine Investition in die Schweiz nur gemacht werden darf, wenn auch die Repatriierung der Gewinne abgeklärt ist. Diese fiskalische Notwendigkeit in Verbindung damit, dass die internationale Rückerstattung in manchen Bereichen ein schwarzes Loch war, hat viele Steuerberaterinnen und -berater zur Verzweiflung getrieben und die Verrechnungssteuer aufgrund der rückerstattungsrechtlichen Fallstricke und Stolpersteine zu einem fiskalischen Schreckensgespenst gemacht. Das vorliegende Buch füllt diese bestehende Lücke.
Das Buch überzeugt mit seinem sachlogischen Aufbau. Systematisch werden die Leserin und der Leser in die bis anhin doch für viele Fallkonstellationen «geheimnisvolle» Welt der Rückerstattung eingeführt. Dabei überzeugt der von den Autoren gewählte Ansatz, nach einer kurzen allgemeinen Darstellung der Thematik die jeweils geltenden Beurteilungsgrundsätze anhand praktischer Fallbeispiele aufzuzeigen, wobei die graphischen Darstellungen und die Bilanzbeispiele das Fallverständnis erheblich verstärken. Die Falllösungen zeichnen sich durch kompromisslose Konzentration auf das Wesentliche in Verbindung mit einem angepassten Detaillierungsgrad aus. Die Autoren haben es dabei geschafft, die einem Seminar aufgrund der Unmittelbarkeit inhärente Lebhaftigkeit in das Medium Buch zu übertragen.
Neben der klaren und präzisen Darstellung der Regeln für die privilegierte Rückerstattung in den verschiedenen Konstellationen und insbesondere in Bezug auf das Vorliegen eines Abkommensmissbrauchs ist für die Praktikerin und den Praktiker äussert wertvoll, dass die Institute der Altreserven, der stellvertretenden Liquidation und der internationalen (auch erweiterten) Transponierung begrifflich sauber definiert und auf äusserst verständliche Art erläutert werden. Bekannte Schlagworte wie «Aktivtest» und «Passivtest» werden zu belebten Begriffen.
Das Buch überzeugt durch seine Vollständigkeit und klärt die meisten Fragen, welche sich im Bereich der internationalen Rückerstattung stellen (können). Es handelt auch aktuelle Problemfelder ab, wie z. B. die Frage nach der Nutzungsberechtigung beim Einsatz von Derivaten oder die rückerstattungsrechtliche Stellung von pauschalbesteuerten Personen in unterschiedlichen Jurisdiktionen. Rückerstattungsrechtlich nicht zu unterschätzen ist die zeitliche Dynamik: Rückerstattung ist nicht eine statische Momentaufnahme, sondern betrifft dynamische Änderungen von Lebenssachverhalten. Aus diesem Grund sind die Leserin und der Leser den Autoren dankbar, dass sie sich auch solchen Themen – z. B. dem Wechsel vom Regime einer pauschalbesteuerten Person in Land A zur ordentlich besteuerten Person im Land B oder in der Schweiz oder dem Zeitpunkt, wann die Substanzkriterien erfüllt sein müssen – gewidmet haben. Es sind oft solche Fragen, welche sich in der Praxis stellen und für die bis anhin Antworten fehlten.
«Rückerstattung der Verrechnungssteuer» – die Bezeichnung «Kompendium» in all ihren Bedeutungen ist verdient. Das Buch deckt die bestehenden Bedürfnisse nach einem Handbuch, einem Nachschlagewerk und einem Lehrbuch ab und stellt für Studierende und Praktizierende eine unerlässliche Wissensquelle dar.
Das Versprechen der Autoren, erweiterte Neuauflagen in regelmässigen Abständen anzustreben, wird selbstverständlich dankend angenommen.
Thomas Jaussi, lic. iur., dipl. Steuerexperte, Betriebswirtschaftsingenieur HTL/NDS, Partner und Mitinhaber JP Steuer AG, Basel