Adriano Marantelli/Andrea Opel (Hrsg.)
Aktuelle Fragen des schweizerischen Steuerrechts – Festgabe für Prof. em. Dr. Urs R. Behnisch
2020, 229 Seiten
CHF 98.–
Stämpfli Verlag
Bern
Das Buch ist bestellbar bei www.cosmosverlag.ch
Im Sommer 2019 führten Prof. Marantelli und Prof. Opel an der Universität Basel eine Tagung zu Ehren von Prof. em. Urs R. Behnisch durch. Diese honorierte das langjährige Wirken von Urs Behnisch in der Lehre und Forschung. Ein Grossteil der Referate hat in der Festgabe Eingang gefunden, die mit (bewusst) bordeauxrotem Einband im Stämpfli Verlag publiziert worden ist.
Die Abhandlungen in der Festschrift stammen neben Prof. Andrea Opel und Prof. Adriano Marantelli von Prof. Peter Locher, Bundesrichter Dr. h. c. Thomas Stadelmann, Kantonsrichter Dr. Patrick M. Müller und Dr. Daniel de Vries Reilingh. Inhaltlich decken sie die Schwerpunktthemen von Urs Behnischs Forschung ab, nämlich Umstrukturierungen, Verfahrensrecht und Steuerstrafrecht. Ferner wird internationales und interkantonales Steuerrecht sowie Immobiliensteuerrecht behandelt.
Festschriften enthalten erfahrungsgemäss viele qualitativ hochstehende Beiträge mit Gedankenanstössen, die in der Literatur und Judikatur zu wenig Beachtung finden, weil sie bei der Suche über die gängigen Suchmaschinen durch die Maschen fallen. Aus diesem Grund werden in dieser Rezension alle besprochenen Gerichtsentscheide ausdrücklich genannt in der Hoffnung, dass die Beiträge der Festgabe für Urs Behnisch möglichst breite Beachtung finden werden. Denn diese Festgabe ist wahrlich beachtenswert.
Bereits das Grusswort von Regierungsrätin Dr. Eva Herzog ist lesenswert. Ihre Aussagen zu den politischen Dimensionen des schweizerischen Steuerrechts sind für die Schweiz wichtig und es ist zu hoffen, dass sich möglichst viele ihrer Parteigenossinnen und -genossen diese Zeilen zu Gemüte führen.
Zum internationalen Steuerrecht finden sich zwei Abhandlungen. Andrea Opel gibt einen Denkanstoss zu unilateralen Massnahmen zur Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung. Ihre Ausführungen basieren auf der bedauerlichen Feststellung, dass die internationale Doppelbesteuerung in den letzten Jahren zugenommen hat. Diese Tendenz akzentuiert sich mit den gegenwärtigen Arbeiten der OECD leider noch weiter. Andrea Opel appelliert an die Schweizer Gesetzgebung, unilaterale Massnahmen in Erwägung zu ziehen, da die Doppelbesteuerungsabkommen die Doppelbesteuerung in zunehmendem Masse nicht mehr vermeiden.
Der zweite Beitrag zum internationalen Steuerrecht stammt von Adriano Marantelli. Dieser behandelt das Bundesgerichtsurteil 2C_752/2014 vom 27.11.2015 und legt Gedankensplitter zum Konzept der «Beneficial Ownership» dar. Interessant sind die Ausführungen zum Verhältnis der Beneficial Ownership zum Konzept des Abkommensmissbrauchs sowie zur Art und Reihenfolge der Prüfung dieser beiden Konzepte.
Intensiv mit dem Verfahrens- und Steuerstrafrecht befasst sich der Beitrag von Patrick M. Müller, Aspekte des Verhältnisses von Steuerverfahren und Strafverfahren der Steuerverwaltung. Die Verletzung der rechtmässigen Steuerdeklarierung ist mit Straffolgen verbunden. Die Abhandlung thematisiert die wesentlichen Aspekte für die Zuordnung des Verfahrensrechts zum materiellen Recht von Steuern und Strafen. Gerade in diesem Bereich hat der Jubilar bekanntlich wegweisende Forschungs- und Publikationsarbeit geleistet. Der Beitrag blickt zurück auf die Entwicklung der Rechtsprechung sowie der Lehre, beleuchtet diverse Aspekte der EMRK sowie der kantonalen bzw. bundesrechtlichen Verfahrensordnungen und macht klare Aussagen zu den Aspekten der Mitwirkungspflicht der Steuerpflichtigen, der Verfahrenstrennung und des Beweisverwertungsverbotes.
Mit der Schnittstelle von Privatrecht und Steuerrecht hat sich nicht nur der Jubilar befasst, sondern auch dessen Doktorvater Peter Locher. Dieser bearbeitet dieses Thema intensiv im Beitrag Zum Verlustvortrag bei der Unternehmensnachfolge durch Erben. Darin behandelt er das Bundesgerichtsurteil 2C_986/2017 vom 28.6.2018 (BGE 144 II 352 = Pra 108 Nr. 37). Peter Locher tritt dafür ein, dass die das Geschäft des Erblassers weiterführenden Erben die Verlustvorträge übernehmen dürfen und kritisiert den Bundesgerichtsentscheid mit klaren Worten als Fehlurteil.
Thomas Stadelmann behandelt in seinem Beitrag Immobilien und Steuern: ausgewählte neuere Rechtsprechung des Bundesgerichts. Er bespricht BGE 143 I 137 zum Eigenmietwert, BGer 2C_643/2017 vom 15.1.2019 zur Handänderungssteuer bei Immobiliengesellschaften, BGer 2C_744/2017 vom 16.4.2018 zur Rückerstattung der ergänzenden Liegenschaftssteuer, BGer 2C_166/2016 vom 27.10.2017 zum mehrwertsteuerlichen Vorsteuerabzug für Abbruchkosten, BGer 2C_719/2017 vom 26.4.2019 zur Vorbehaltsnutzung bei der Grundstückgewinnsteuer und BGer 2C_421/2018 vom 13.5.2019 zum Ersatzwert für Anlagekosten bei der Grundstückgewinnsteuer. Mit diesem Beitrag ehrt Bundesrichter Stadelmann den Beitrag des Jubilars zur Rechtsentwicklung im Immobiliensteuerbereich durch seine anwaltliche Tätigkeit und seine kritischen Urteilsbesprechungen.
Daniel de Vries Reilingh beschreibt in seinem Beitrag Brennpunkte im interkantonalen Doppelbesteuerungsrecht die verhältnismässige Langsamkeit der Entwicklung im interkantonalen Steuerrecht. Dabei beleuchtet er insbesondere die Entscheide des Bundesgerichts zur Verwirkung des Beschwerderechts (BGer 2C_655/2016 vom 17.7.2017 und 2C_539/2017 vom 7.2.2019). Ferner bespricht er die Entscheide BGer 2C_421/2018 vom 13.5.2019 und BGE 140 I 114 zur Berechnung des Grundstückgewinns und BGE 143 II 694 zur Ersatzbeschaffung für die Grundstückgewinnsteuer im interkantonalen Verhältnis.
Die Autorinnen und Autoren legen mit dieser Festgabe ein Werk von hoher Qualität vor, das den breit gefächerten Schwerpunktthemen von Urs Behnischs Forschung zweifelsohne gerecht wird. Die Gedankenanstösse in den Beiträgen regen dazu an, aktuelle Entwicklungen in den Themenfeldern zu reflektieren und machen die Festgabe zu einer empfehlenswerten Lektüre für alle Steuerrechtsinteressierten.
Reto Heuberger, Dr. iur., Rechtsanwalt, Partner, Homburger AG