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Deloitte – Zufall oder Schicksal, Reto Gerber?

Reto Gerber beantwortet im Rendez-vous unsere – nicht unbedingt fachspezifischen – Fragen.

Name: Reto Gerber

Beruf/Position: Managing Partner Tax & Legal, Deloitte Schweiz

Familie: Verheiratet mit Begoña, zwei erwachsene Kinder (20 und 22)

Hobbys: Velofahren, Golfen und Skifahren (wenn ich dazu komme)

Was war Ihr Berufswunsch als Kind – und warum ist nichts daraus geworden?

Ich bin eher ländlich aufgewachsen und viele meiner Freunde waren (damals) Bauern. Entsprechend wollte ich als Kind ebenfalls Bauer werden. Daraus wurde offensichtlich nichts. Zwei Gründe haben dazu geführt. Erstens und der wichtigere der beiden Gründe: Es fehlte am passenden Objekt, da ich nicht aus einer Bauernfamilie stamme. Zweitens bin ich seit früher Kindheit auf Gräserpollen allergisch. Beides sind keine idealen Voraussetzungen, um Bauer zu werden. So wurde ich dann halt Steuerrechtler. Auch nicht schlecht.

Gibt es etwas, das Sie extrem nervt im Steuerbereich?

Da wird es vielen meiner Kollegen ähnlich gehen. Die letzten Praxisänderungen der ESTV im Bereich Rückerstattung und insbesondere, wie sie die jeweiligen Änderungen kommuniziert und sogleich als verobjektivierte Tatbestände deklariert. Basieren tun diese vorwiegend auf dem Konzept der Steuerumgehung. Entsprechend sollte m. E. auch die bundesgerichtlich festgelegte Praxis dazu angewandt und im Einzelfall geprüft werden. Alles andere ist wirtschaftsfeindlich und schadet der Schweiz. Auf eine entsprechende Bemerkung hin wurde mir von der ESTV geraten, ich solle doch im SECO anklopfen, die seien für die Wirtschaftsförderung beim Bund zuständig.

Haben Sie ein Vorbild?

Peter Athanas, ein begnadeter Steuerrechtler und hervorragender Chef. Eine erstrebenswerte Kombination. Ich bin noch nicht ganz da. Ich habe aber noch ein paar Jahre vor mir als Managing Partner. Mal sehen, ob ich dem Vorbild näher komme.

Welchen Rat würden Sie Ihrem jüngeren Selbst geben?

Nimm alles etwas entspannter. Wenn Du dranbleibst und positiv denkst, kommt es gut. Die Voraussetzungen sind vorhanden.

Haben Sie schon einmal so richtig Glück gehabt? Was ist passiert?

Das kann man wohl sagen. Ich hatte mit 41 einen heftigen Unfall mit meinem Bike (klassische Selbstüberschätzung mittelalterlicher Männer, die glauben, sie können weiterhin alles auf dem Bike – leider ist statistisch durch die SUVA erwiesen, dass es nicht so ist). Wäre ich damals beim Fallen nicht zwischen zwei, sondern in einem der beiden Bäume gelandet, wäre ich vermutlich heute querschnittgelähmt oder damals gar gestorben. Nur um das Ganze in Relation zu setzen: Ich flog ca. 20 Meter durch die Luft, mit entsprechender kinetischer Energie in mir. Seither bin ich zumindest auf dem Bike viel vernünftiger geworden und es haben sich zum Glück keine solchen Unfälle mehr ereignet.

Wo liegt Ihr Sehnsuchtsziel?

Das Sehnsuchtsziel ist eigentlich mehr eine Tätigkeit als ein Ort. Letzteres auch, aber ich kann diesen zurzeit noch nicht wirklich verorten. Sicher ist nur, er sollte irgendwo in der Schweiz sein, eine schöne Aussicht haben und an einer ruhigen Stelle liegen. Worum geht es? Nachdem ich die letzten Jahrzehnte «intellektuell» gearbeitet habe, möchte ich nach meiner Steuerrechtskarriere etwas ganz anderes tun und mir mein eigenes, autarkes «Tiny House» irgendwo in der Schweiz bauen. Dabei möchte ich so viel wie möglich selbst machen und nur dort, wo es gar nicht anders geht, auf fremde Hilfe angewiesen sein. Meine Freunde fragen dann immer, ob ich mir das wirklich zutraue bzw. ob ich das handwerkliche Rüstzeug denn auch mitbringe. «Das werden wir dann sehen», ist meine geläufige Antwort auf diese Frage. Ich denke aber, dass ich (auch) handwerklich nicht ganz unbegabt bin. Ein Versuch ist es auf jeden Fall wert, und Freude würde es mir definitiv bereiten. Einige Leute trauen es mir zu. Sie haben sich zumindest schon fürs Einweihungsfest angemeldet!

Haben Sie auch mal die Nase voll von Ihrer momentanen Tätigkeit?

Ja das kann durchaus vorkommen. Insbesondere dann, wenn ich mehr Zeit mit dem «Managen» (sorry für das Fremdwort) bzw. Motivieren meiner Kollegen als mit technischer oder strategischer Arbeit verbringe. Wir sind in unserem Beruf in einer sehr privilegierten Lage. Wir sind Kleinunternehmer als Teil eines Grossbetriebs, mit viel gestalterischer Freiheit und einem Sicherungsseil, falls es einmal nicht so gut läuft. Das können nur sehr wenige von sich behaupten. Für mich ist das die perfekte Welt und ich kann manchmal nicht verstehen, dass es meine Kollegen nicht gleich sehen.

Warum Deloitte? Zufall oder Schicksal?

Ich würde sagen, weder noch. Zufall war es definitiv nicht. Nachdem es vor zehn bis fünfzehn Jahren für mich noch keine Option war, zu Deloitte zu wechseln, so war es vor sieben Jahren plötzlich eine valable Möglichkeit. So wechselten damals einige meiner früheren Arbeitskollegen «aus der ersten Reihe» zu Deloitte. Es bildete sich ein Nukleus von guten Steuerrechtlern, die viel Potential versprachen und Grosses im Sinn hatten. Zudem entwickelte sich zu dieser Zeit der Führungswechsel bei meinem früheren Arbeitgeber nicht so, wie ich ihn mir vorgestellt und erhofft hatte. Es waren zwei Kräfte, die da an mir zogen und die schlussendlich zum damaligen Entscheid führten. Zudem: Wenn man mit über Fünfzig eine solche Gelegenheit erhält, so sollte man nicht zögern und diese Chance beim Schopf packen. Ob es denn Schicksal war, wird die Zukunft weisen. Bis jetzt fühle ich mich weiterhin sehr wohl im zugegebenermassen nicht mehr so neuen Umfeld und in einer Rolle, die ich eigentlich gar nicht angestrebt hatte. Ich denke, das Schicksal hat es bis jetzt gut mit mir gemeint (hier würde in einer neuzeitlichen Kommunikationsform vermutlich ein «Smiley» hingehören).

Wie wichtig ist Bodenhaftung für Sie?

Um im wörtlichen Sinn zu sprechen, führt die physikalische Schwerkraft der Erde unweigerlich dazu, dass wir die Bodenhaftung nicht verlieren und nach jedem Sprung wieder auf den Boden zurückkehren. Springt man auf der anderen Seite (im übertragenen Sinn) so hoch, dass die Schwerkraft nicht mehr wirkt, so wird es da oben sehr, sehr einsam und man wird sich fragen, ob es sich denn wirklich gelohnt hat, so hoch gesprungen zu sein. Aus Biografien erfolgreicher Leute kann man durchaus zu diesem Schluss kommen. So hat es sich auch mit meinen eigenen (versuchten) Ausflügen in die Schwerelosigkeit zugetragen. Da ich kein guter Springer bin, waren die Ausflüge nie von grosser Höhe oder langer Dauer und die Landung entsprechend auch nicht zu hart. Wenn ich zudem auf mein Berufsleben zurückblicke, so habe ich (bis jetzt zumindest) niemanden kennen gelernt, der sich über eine längere Zeit im Höhenflug befand bzw. immer noch befindet. Früher oder später sind sie alle zurück auf die Erde gekommen. Aus dem Gesagten kann wohl einfach abgelesen werden, dass mir Bodenhaftung sehr wichtig ist. Man soll versuchen, zu fliegen. Kein Zweifel daran. Man soll hohe Ziele anstreben und versuchen, diese auch zu erreichen. Diese sollten aber gut vorbereitet und ausgewählt sein, so dass man entweder sicher auf der höheren Stufe ankommt oder mit der Zeit wieder sanft landen kann. Das soll aber nicht heissen, dass man nach jedem missglückten Versuch aufgeben soll. Da mag ich die Amerikaner, die jedes Versagen als neue Chance sehen. Eine solche neue Chance kann man aber nur nutzen, wenn die Landung des letzten Ausflugs nicht zu hart war. In diesem Sinn: Bodenhaftung nicht verlieren!