
Zweifel/Oesterhelt/Opel/Seiler
Schweizerisches Steuerstrafrecht
2025, 742 Seiten (gebunden)
CHF 218.–
Schulthess Verlag, Zürich/Genf
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Das schweizerische Steuerstrafrecht ist, wie es die Autorin und die Autoren in ihrem Vorwort treffend bemerken, zersplittert, da sich seine Rechtsquellen in einer Vielzahl von Gesetzen der Kantone und des Bundes verteilen. Entsprechend ist auch die bisherige Literatur auf eine Vielzahl von Kommentierungen aufgeteilt. Eine Gesamtdarstellung des schweizerischen Steuerstrafrechts fehlte bisher. Diese Lücke haben nun MARTIN ZWEIFEL (langjähriger Verwaltungsrichter und Titularprofessor für Steuerrecht an der Universität Zürich), STEFAN OESTERHELT (Rechtsanwalt, Dozent für Steuerrecht an der Universität St. Gallen und regelmässiger Referent an Seminaren über Steuerrecht), ANDREA OPEL (Ordinaria für Steuerrecht an der Universität Luzern) und MORITZ SEILER (Richter am Verwaltungsgericht des Kantons Zürich und früherer Gerichtsschreiber am Bundesgericht) geschlossen und die erste Gesamtdarstellung des schweizerischen Steuerstrafrechts vorgelegt. Sie haben sich vorgenommen, «durch eine systematische, dogmatisch fundierte und praxisnahe Darstellung des Steuerstrafrechts und des Steuerverfahrensrechts Licht in das unübersichtliche, schwer fassbare Geflecht materieller und verfahrensrechtlicher Regelungen» zu bringen.1 Um es vorwegzunehmen, diesem Anspruch wird das Werk mehr als gerecht.
Das Autorenteam hat sein Werk systematisch klar und übersichtlich gegliedert, den einzelnen Kapiteln ein Verzeichnis der zu diesem Thema weiterführenden Literatur vorangestellt und einige Kapitel mit erläuternden Tabellen angereichert. Die Gesamtdarstellung ist in die Teile Grundlagen des Steuerstrafrechts, Materielles Steuerstrafrecht und Steuerstrafverfahrensrecht aufgeteilt. Innerhalb der Teile zum materiellen Steuerrecht und zum Steuerstrafverfahrensrecht erfolgt eine Aufteilung in Grundsätze sowie Regelungen zu den direkten Steuern und der Verrechnungssteuer, den Stempelabgaben und der Mehrwertsteuer. In den einzelnen Kapiteln, die übersichtlich aufgebaut sind, hat das Autorenteam die Literatur und Judikatur verarbeitet und sich dazu auch kritisch mit Judikatur und Literatur auseinandergesetzt. Der Aufbau des Werks erlaubt es den Nutzerinnen und Nutzern, zielgerichtet die Darstellung des sie gerade interessierenden Themas anzusteuern und dort eine fundierte Antwort zu finden.
Die Gesamtdarstellung des schweizerischen Steuerstrafrechts ist zudem angereichert durch die Bestimmungen über die Nachentrichtung und die Rückerstattung gesetzeswidrig erlangter Steuervorteile, also die Abschöpfung des unrechtmässigen Steuervorteils. Ebenfalls dargestellt sind einzelne Grundsätze und Bestimmungen des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafgesetzbuches. Das Steuerstrafrecht gehört bekanntlich zum Nebenstrafrecht, in welchem – zumindest soweit es sich um Bundesrecht handelt – der Allgemeine Teil des StGB anwendbar ist. Zu diesen Bestimmungen gehören unter anderem auch die Regeln über den subjektiven Tatbestand (Vorsatz und Fahrlässigkeit)2 sowie über die Strafzumessung. Das Autorenteam hat sich entschieden, die Ausführungen zu diesen Themen in die Darstellung der einzelnen Delikte einzubeziehen und nicht in § 6 (Geltung der strafrechtlichen Grundsätze des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches [StGB]). Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass die Abschnitte über die einzelnen Delikte in sich geschlossen und grundsätzlich vollständig sind. Dem steht der Nachteil entgegen, dass eine eingehende Darstellung dieser für alle Delikte gleichermassen massgebenden Regelungen fehlt. Hinzu kommt, dass die Bemerkungen zum subjektiven Tatbestand in einigen Kapiteln sehr knapp ausgefallen sind, nämlich nur die an sich selbstverständliche Formel enthalten, wonach vorsätzliche und fahrlässige Tatbegehung möglich sind.
Eine vertieftere Darstellung verdient hätte die Problematik der im Nebenstrafrecht verbreiteten Gesetzgebung durch Verweisungs- und Blankettstrafnormen. Damit bei solchen Delikten der Vorsatz gegeben ist, muss sich die Vorstellung des Täters auch auf die sog. «normativen» Tatbestandselemente beziehen, im Steuerstrafrecht also auf den (verkürzten) Steueranspruch. Fehlt dem Täter diese Vorstellung, unterliegt er einem Sachverhaltsirrtum3. Diese Problematik hat das Autorenteam zwar im Abschnitt über die vorsätzliche Steuerhinterziehung (§ 14) aufgegriffen, ohne jedoch auf den Sachverhaltsirrtum bzw. auf das für den Vorsatz betreffend rechtlich geprägte Tatbestandselemente erforderliche landläufige Verständnis (sog. «Parallelwertung in der Laiensphäre»4) Bezug zu nehmen.
Bei den Ausführungen zur Strafzumessung fehlt der Hinweis auf den auch im Neben- und somit auch im Steuerstrafrecht anwendbaren Strafmilderungsgrund des Zeitablaufs. Das Gericht mildert die Strafe, wenn das Strafbedürfnis in Anbetracht der seit der Tat verstrichenen Zeit deutlich vermindert ist und der Täter sich in dieser Zeit wohlverhalten hat,5 wobei das Gericht bei der Strafmilderung nicht an die Mindeststrafe gebunden ist.6 Nach der Rechtsprechung ist dieser Strafmilderungsgrund (bei Wohlverhalten) in jedem Fall zu berücksichtigen, wenn im Zeitpunkt des Urteils zwei Drittel der Verjährungsfrist verstrichen sind.7
Erfahrungsgemäss liegen Steuerdelikte sehr häufig lange zurück und dauern auch lange. Allerdings sind regelmässig auch mehrere Steuerdelikte erfüllt, so dass sich die Frage nach dem Wohlverhalten und dem Verhältnis zum Zeitablauf stellt. Da dieser Strafmilderungsgrund das Unterschreiten der bei der Hinterziehung von direkten Steuern vorgesehenen Mindestbusse ermöglicht, hätte sich eine Betrachtung aufgedrängt.
Diese wenigen kritischen Hinweise ändern jedoch nichts am Gesamturteil, dass das Autorenteam ein für die im Steuerstrafrecht tätigen Praktiker unverzichtbares Standardwerk vorgelegt hat. Chapeau!
Daniel Holenstein, lic. iur., Rechtsanwalt, dipl. Steuerexperte, NSF Rechtsanwälte AG, Zürich
Fussnoten
ZWEIFEL/OESTERHELT/OPEL/SEILER, Schweizerisches Steuerstrafrecht, Zürich 2025, Vorwort.
Art. 12 StGB
Art. 48 StGB.
BGE 129 IV 382 E. 3.2.2.
Art. 48 lit. e StGB.
Art. 48a Abs. 1 StGB.
Bundesgericht, 2.7.2020, 6B_260/2020; BGE 140 IV 145 E. 3.1.
