Passer au contenu

Wo trifft man Sie nach Feierabend, Giordano Macchi?

Giordano Macchi beantwortet im Rendez-vous unsere — auch nicht fachspezifischen — Fragen.

Name: Giordano Macchi

Beruf/Position: Direktor der Steuerverwaltung des Kantons Tessin

Ausbildung: Dipl. Math. ETH, Lizentiat in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Lugano, Master SUPSI in Tax Law

Familie: verheiratet, ein Sohn

Hobbys: Programmieren in Java, Lego, SMI, Lesen, Wandern – sofern ich Zeit dazu finde

Werden Sie auf der Strasse erkannt?

Zuweilen kommt das vor. Dies liegt aber vermutlich an meiner früheren politischen Tätigkeit als Stadtrat von Lugano. Bis jetzt ist gottlob aber noch nie jemand weggerannt, wenn er mich gesehen hat …

Leben Sie für das Steuerrecht?

Ja. In der Kaffeepause spreche ich nur über die Arbeit. Ich suche immer ein «Opfer», welches mit mir über Steuerthemen spricht. Manchmal schweife ich auch auf Finanzthemen ab. Es muss nicht immer nur der SMI sein, gerne spreche ich auch über den NASDAQ und den Euro Stoxx 50. Auch das macht die Suche nach Gesprächspartnern nicht immer einfach …

Haben Sie ein Lebensmotto – ein öffentliches und ein heimliches?

Wer sich keine einfachen Akronyme ausdenkt, ist kein guter Manager. Ich halte die drei DDD hoch = Direct, Delegate, Decide. Das erste D (Direct) bedeutet, eine strategische Richtung vorzugeben, das zweite D (Delegate) versteht sich von selbst und das dritte D (Decide) richtet sich vor allem an kompetente Mitarbeiter, welche gute Lösungen sehen, aber noch den Support für die finalen Entscheidungen brauchen. Mein heimliches Lebensmotto kann ich natürlich nicht preisgeben, ansonsten wäre es ja nicht mehr geheim!

Wie halten Sie Ihre Motivation im Job hoch?

Die Motivation finde ich in der Lösungsfindung. Je nach Ausbildung und Beruf ist die Herangehensweise und Lösung von Problemen eine andere. Wenn Sie einem Wirtschaftswissenschaftler drei Probleme vorlegen, erhalten Sie drei Antworten. Wenn Sie diese drei Probleme einem Anwalt vorlegen, erhalten Sie drei neue Probleme. Wenn Sie einem Mathematiker dieselben Fragen vorlegen, erhalten Sie neun Lösungen. Wie kommt das? Der Mathematiker hat seine drei Aufgaben und auch die sechs Aufgaben des Juristen gelöst.

Sie haben nach dem Mathematikstudium noch zwei weitere Abschlüsse in Wirtschaftswissenschaften und im Steuerbereich abgelegt – hilft das bei der Lösungsfindung oder sind Sie einfach so wissbegierig?

Anstelle eines Doktorats habe ich mich für die beiden zusätzlichen Studiengänge entschieden. Ich wollte meinen Horizont erweitern, was natürlich bei der Lösungsfindung hilft. Nachher musste ich dann endlich einmal anfangen zu arbeiten …

Muss man den Blumenstein/Locher gelesen haben?

Ja, den Blumenstein/Locher sollte man gelesen haben und im Tessin noch zusätzlich die Werke von Marco Bernasconi und Samuele Vorpe.

Das Tessin steht steuerlich vor einer neuen Ära, richtig?

Ja, gegenwärtig sind die Parlamente in der Schweiz und Italien am Ratifizieren des neuen Grenzgängerabkommens. Das ist ein grosser Schritt und Ergebnis von langen, intensiven Verhandlungen. Geeinigt hat man sich auf ein «Zwei-Schienen-Modell»: für alte Grenzgänger bleibt es bis 2034 bei den bisherigen Regelungen, d. h. der Kanton Tessin erhebt die Quellensteuer und liefert davon 40% an die italienischen Wohnsitzgemeinen ab, neue Grenzgänger werden sowohl in der Schweiz (80% der Quellensteuer) sowie in Italien besteuert, wobei Italien die Doppelbesteuerung vermeiden muss. Neue Grenzgänger werden stärker besteuert, da die Steuerlast in Italien höher ist – das ist eine bedeutsame Änderung im Vergleich zur früheren Rechtslage.

In zehn Jahren würde ich gerne …

… in einer vereinfachten und digitalisierten Welt leben. Das Steuerrecht muss, wie alle Rechtsgebiete in der Schweiz und weltweit, vereinfacht werden. Wir alle sollten gegen das unkontrollierte Anwachsen der Gesetzes- und Verordnungsflut ankämpfen. Ein wichtiger Bereich ist die Informatik: Ausgehend von Informationen (z. B. der Erfolgsrechnung) muss der Steuersachbearbeiter die geschuldete Steuer berechnen können. Das bedeutet natürlich, dass wir uns in der angewandten Informatik befinden. Steuern und Digitalisierung werden in Zukunft immer näher zusammenrücken. Big Data und Artificial Intelligence werden wir auch im Steuerbereich antreffen.

Wofür würden Sie mitten in der Nacht aufstehen?

Während der ersten Welle der Covid-19-Pandemie blieb ich wach und simulierte mathematisch die Infektionskurve und die Belegungsraten der Krankenhäuser. Das hat mir buchstäblich den Schlaf geraubt.

Das Foto zeigt Sie beim Schneeschuhwandern im Bleniotal. Sind Sie ein naturverbundener Mensch?

Die Schweiz und insbesondere das Tessin sind fantastische Tourismusziele, weshalb also in die Ferne schweifen, wenn das Gute so nahe liegt? Die Natur in den Bergen ist in jeder Jahreszeit einmalig.

Wo trifft man Sie nach Feierabend? Bei einem Glas Bier, auf der Couch oder hinter dem Laptop?

Für ein Feierabendbier bin ich immer zu haben, gerne auch bei einer Pizza und einem Fussballspiel. Als «aperitivo» schätze ich ein gutes Glas Wein oder Cocktails. Im Sommer stehen Pfefferminzblätter für einen Mojito stets in einer Vase griffbereit. Während des Lockdowns genossen wir mitunter auch hinter dem Laptop etwas Feines. Am Anfang haben wir das geschätzt, weil es ungewohnt war, doch jetzt möchten wir alle einfach wieder die Normalität zurück.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, welche wären das?

Ich hätte nur den einen Wunsch: «unendlich Wünsche hinzufügen!»