
Zweifel/Beusch/Hunziker/Seiler
Schweizerisches Steuerverfahrensrecht
2024 (3. Aufl.), 750 Seiten
CHF 218.–
Schulthess Verlag, Zürich
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Das Steuerverfahrensrecht wird in der Praxis sowohl bei Steuerbehörden als auch bei Steuerberatern als notwendiges Übel betrachtet und wird daher auch in wissenschaftlicher Hinsicht eher stiefmütterlich behandelt. Martin Zweifel hingegen, der Doyen des Steuerverfahrensrechts und einer der Co-Autoren, entwickelte seit der Anfangszeit seiner wissenschaftlichen Laufbahn eine besondere Affinität zu dieser Materie. Ihm und Hugo Casanova ist es zu verdanken, dass eine zusammenhängende und systematische Darstellung des Steuerverfahrensrechts entstanden und einem breiten Publikum zur Verfügung gestellt worden ist.1 Seit der ersten Auflage 2008 hat sich die Publikation sehr schnell als Standardwerk etabliert und ist als nützliches und häufig konsultiertes Hilfsmittel für Steuerjustizbehörden, Anwälte und Berater nicht mehr aus dem Steuerverfahrensalltag wegzudenken!
Die dritte Auflage hat gegenüber den bisherigen Versionen eine auch inhaltliche Ausweitung auf (fast) alle Steuerarten erfahren – also auch Verrechnungssteuer, Stempelabgaben und Mehrwertsteuer –, sodass der bisherige Titelzusatz «Direkte Steuern» entfällt.
Für den Inhalt zeichnen Personen mit langjährigem Einsatz in der Schweizerischen Steuerjustiz verantwortlich. Die Co-Autorenschaft setzt sich in der dritten Auflage aus Martin Zweifel, ehemals Verwaltungsgericht Zürich, Michael Beusch, Bundesrichter, Silvia Hunziker, Verwaltungsrichterin des Kantons Zürich sowie Moritz Seiler, Gerichtsschreiber am Bundesgericht und Ersatzrichter am Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, zusammen, die für Exzellenz und allerhöchste Kompetenz im Steuerverfahrensrecht stehen. Das Buch atmet den Geist langjähriger Erfahrung, aber auch ausgewogener Auffassungen, die während dieser vielen Jahre in der Steuerjustiz gereift sein dürften.
Im ersten Teil werden Grundlagen und Grundsätze des Steuerverfahrensrechts (§§ 1–13) behandelt. Auch wenn diese Ausführungen aufgrund ihres grundsätzlichen Charakters etwas abstrakt anmuten, ist ihnen in der Praxis mitunter gleichwohl grosse Bedeutung beizumessen (z. B. Ausstand, Fristen etc.).
Der zweite Teil (§§ 14–29) widmet sich nun der Erhebung der direkten Steuern und beleuchtet das gemischte Veranlagungsverfahren samt Einspracheverfahren. Ebenso werden die Besonderheiten des Quellensteuerverfahrens, des Inventarverfahrens und des Bezugsverfahrens behandelt. Letzteres ist ebenfalls löblich, da Steuerbezugsthemen ein noch vernachlässigteres Dasein fristen als verfahrensrechtliche Fragestellungen.
Im dritten Teil (§§ 30–35) folgt die Darstellung der Erhebung der Mehrwertsteuer, der Verrechnungssteuer und der Stempelabgaben sowie des Bezugs, der Sicherung und des Erlasses der entsprechenden Steuerforderungen. Dabei handelt es sich um die eingangs erwähnte inhaltliche Ausweitung auf die indirekten Steuern.
Im vierten Teil (§§ 39–44) wird das Rechtsmittelverfahren (gesondert nach Steuerart) dargestellt. Während bei den direkten Steuern die kantonalen Gerichtsinstanzen dem Bundesgericht vorgeschaltet sind, sind Streitigkeiten, die die Mehrwertsteuer, die Verrechnungssteuer oder die Stempelabgaben betreffen, vor das Bundesverwaltungsgericht zu tragen. Eine Darstellung des jeweiligen Systems der Abänderung von rechtskräftigen Entscheiden rundet diesen Teil ab, der schliesslich mit den Rechtsmitteln an das Bundesgericht abgeschlossen wird.
Ein Sachregister erleichtert die Navigation im Buch.
Das Werk besticht durch eine systematische und konzise Darstellung der einzelnen Themenschwerpunkte. Diese orientiert sich an der reichhaltigen Bundesgerichtspraxis, aber nimmt auch Urteile von kantonalen Rechtsmittelinstanzen auf, was zusammen mit der Berücksichtigung der einschlägigen Literatur zu einer sehr abgerundeten Darstellung führt.
Den äusserst positiven Gesamteindruck kann auch die Tatsache nicht wirklich trüben, dass trotz des Anspruchs, eine «Gesamtdarstellung» zu liefern,2 (nach der vielleicht subjektiven Auffassung des Verfassers) gleichwohl nicht das ganze Steuerverfahrensrecht durchdrungen worden ist. So fehlt die Beleuchtung der Verfahrensbestimmungen der neuesten Steuerart, der Ergänzungssteuer, die auf den 1. Januar 2024 in Kraft getreten ist. Auch wenn das Verfahren betreffend die Ergänzungssteuer grosso modo den bewährten Regeln des gemischten Veranlagungsverfahrens bei der direkten Bundessteuer folgt, wäre eine kurze Behandlung wünschenswert gewesen.3
Ein Seitenblick auf das Verfahren betreffend die Grundstückgewinnsteuer fehlt ebenso. Das kommt nicht von ungefähr, wurde dieses doch sehr ausführlich in Zweifel/Hunziker/Margraf/Oesterhelt, Schweizerisches Grundstückgewinnsteuerrecht, Zürich 2021, § 13, dargestellt.
Auch interkantonale Doppelbesteuerungskonflikte folgen zuweilen eigenen «Verfahrensregeln». Ein kurzes Kapital dazu wäre ebenfalls willkommen gewesen, obschon auch hier Spezialliteratur bereits vorhanden ist.4
Sollte im Zuge einer vierten Auflage erneut über eine inhaltliche Ausweitung nachgedacht werden, so böte sich ausserdem eine kurze Behandlung der Verständigungs- und Schiedsverfahren nach DBA-Recht an, die in der Praxis ebenfalls eine nicht unbedeutende Rolle spielen.
Um den Zugang zur Materie zu erleichtern, könnte weiter über eine Illustration der Theorie mit kurzen Praxisbeispielen nachgedacht werden.
All in all wird das Werk seinem Ruf als «Standardwerk» mehr als gerecht und setzt in verfahrensrechtlicher Hinsicht die relevanten Massstäbe. Es ist daher ein für jeden Steuerpraktiker unverzichtbares Hilfsmittel.
Olivier Margraf, Dr. iur., Leiter Rechtsabteilung,
Kantonale Steuerverwaltung Thurgau
Fussnoten
Vgl. Vorwort der ersten Auflage.
Vgl. Vorwort zur dritten Auflage.
Zum Verfahren betreffend Ergänzungssteuer: Aeby/Many, Schweizerische verfahrensrechtliche Aspekte der OECD-Mindestbesteuerung, StR 2024, 498 ff.
Siehe hierzu: Zweifel/Beusch/de Vries Reilingh, Interkantonales Steuerrecht, 2. Aufl., Basel 2021, §§ 40 ff.; Olivier Margraf, Interkantonales Verfahrensrecht der direkten Steuern, Zürich 2023.