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Rezension: Grundlagen der Konzernbesteuerung im schweizerischen Steuerrecht

Florian Regli: Grundlagen der Konzerbesteuerung im schweizerischen Steuerrecht – Mängel bei der Besteuerung von Konzernen im geltenden Recht, Konzernrechtswirklichkeit sowie Gestaltungsalternativen für die Konzernbesteuerung. Rezension von Peter Hongler

Florian Regli

Grundlagen der Konzerbesteuerung im schweizerischen Steuerrecht

2021 (2. Aufl.), 512 Seiten
CHF 156.–
Stämpfli Verlag, Bern
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Nur selten erscheint eine Dissertation in einer zweiten Auflage. Die Arbeit von Florian Regli, erstmals publiziert 2013 als Doktorarbeit an der Universität St. Gallen, wurde Anfang 2021 in vollständig überarbeiteter und aktualisierter Form neu aufgelegt. Verglichen mit der ersten und inzwischen vergriffenen Auflage entwickelt Regli aber nicht fundamental neue Ansätze zur Konzernbesteuerung. Diese fehlenden materiellen Änderungen gegenüber der ersten Auflage sollen jedoch nicht als Schwäche der zweiten Auflage gewertet werden, sondern untermauern vielmehr die überzeugende Argumentation und Herangehensweise des Autors. Die Halbwertszeit dieser Arbeit ist sicherlich überdurchschnittlich und vor diesem Hintergrund konnten die allermeisten Ausführungen der ersten Auflage auch in die zweite Auflage aufgenommen werden.

Die Konzernbesteuerung führt weiterhin ein Mauerblümchendasein in der Schweiz, und zwar insofern, als das Thema kaum umfassend und systematisch erarbeitet wird. Vielmehr finden sich viele singuläre Konzernsteuerthemen, die wissenschaftlich beleuchtet werden. Dies führt dann auch steuerpolitisch zu vereinzelten und sehr partikularen Änderungen. Gegenwärtig zu nennen sind die Anpassung des Meldeverfahrens im grenzüberschreitenden Verhältnis oder auch die schrittweise Erleichterung der Konzernfinanzierung bei der Verrechnungssteuer. Auch die Rechtsprechung setzt sich immer nur sehr singulär mit der Konzernbesteuerung auseinander, so bspw. erst kürzlich hinsichtlich der Zurechnung von Tätigkeiten einer Management-Gesellschaft zur Muttergesellschaft für die Festlegung der Vermittlereigenschaft im Umsatzabgaberecht.1 Eine umfassende Revision des Konzernsteuerrechts wird nur selten thematisiert. Reglis Arbeit bietet hierzu beste Gelegenheit.

Nach einleitenden Ausführungen zur Konzernbesteuerung de lege lata, aber auch zum verfassungsrechtlichen Rahmen einer Reform der Konzernbesteuerung setzt sich der Autor im zweiten Teil mit der Konzernwirklichkeit auseinander. Für steuerpolitische Arbeiten wie die vorliegende ist es zentral, dass nicht realitätsfremde legislative Empfehlungen abgegeben werden. Um diese Konzernrealität zu beschreiben und realitätsbasierte Empfehlungen abzugeben, verwendet Regli unter Rückgriff auf systemtheoretische Überlegungen den Begriff des ‹heterarchischen Konzernwirklichkeitsbilds› und er versteht den Konzern als ‹produktives soziales System›. So sind Konzerne eben keine am Reissbrett entworfenen hierarchischen Konstrukte, sondern vielmehr historisch gewachsene und stark integrative Wesensformen, die aus verschiedenen Rechtsträgern bestehen. Für die Konzernbesteuerung sind gemäss Regli mit Bezug auf Baumann ferner zwei Kooperationsebenen zu unterscheiden: einerseits die beteiligungsrechtliche Kooperationsebene, andererseits die austauschrechtliche Kooperationsebene (z. B. durch den Verkauf von Gütern innerhalb des Konzerns). Diese vermeintliche Selbstverständlichkeit ist jedoch zentral auch für das Konzernsteuerrecht. D. h., bei der Entwicklung von Blaupausen zur Besteuerung von Konzernen in der Schweiz – wie auch Regli sie vorsieht – sind diese Kooperationsebenen umfassend zu berücksichtigen und eine Reform, die nicht beide Ebenen in den Blick nimmt, wäre nicht überzeugend.

Der Hauptteil der Arbeit zur Ausgestaltung der Konzernbesteuerung gliedert sich in die Abschnitte (i) Konzernsteuererhebung, (ii) Konzernsteuerentrichtung, (iii) Konzernergebnisermittlung und (iv) Konzernumsatzermittlung. In diesen Abschnitten untersucht der Autor verschiedene Gestaltungsvarianten, wie der Gesetzgeber Konzerne steuerlich erfassen könnte. Nachfolgend wird auf einzelne dieser Themen Bezug genommen.

Hinsichtlich der Konzernsteuererhebung behandelt Regli insbesondere die Frage, ob allenfalls eine Neuzuordnung der Steuererhebungskompetenz auf die Hoheitsträger sinnvoll erscheint; so wird etwa die mit einer Spezialisierung und einer Harmonisierung einhergehende Verschiebung der Zuständigkeit für die steuerliche Erfassung der Konzerne von den Kantonen an den Bund erwogen. Dies könnte bedeuten, dass neu eine Bundesstelle für die Erhebung der Konzerne zuständig wäre. Um die Bedürfnisse der Kantone dennoch zu berücksichtigen, bringt Regli auch neue Ideen ins Spiel wie bspw. eine zusätzliche Einbindung der Kantone in den Bundesgesetzgebungsprozess oder auch die Schaffung von Kompetenzzentren in grösseren Kantonen, die allenfalls mit Unterstützung des Bundes die Veranlagung der Konzerne vornehmen könnten.

Verschiedentlich schimmert in der Arbeit durch, dass in der Theorie starke Gründe für eine umfassende Reform der Konzernbesteuerung sprechen, der Autor indes aufgrund praktischer Umsetzungsprobleme an einzelnen Stellen von einer klaren Handlungsempfehlung für die Politik absieht. Dies könnte man ihm so auslegen, dass sich Regli scheut, Stellung zu beziehen. Allerdings deute ich das eher als Eingeständnis, dass Steuerpolitik zu betreiben gar nicht immer bedeutet, die Ideallösung anzustreben, sondern nach sorgfältigem Abwägen durchaus auch die zweitbeste Option erstrebenswert ist. So hält Regli bspw. fest, dass es zu bevorzugen wäre, wenn der Konzern (ähnlich wie bei der Mehrwertsteuer) als eigenes Gewinnsteuersubjekt in Erscheinung treten würde. Allerdings ist die Umsetzung dieser Empfehlung mit grossen Schwierigkeiten verbunden, so insbesondere hinsichtlich der Abstimmung zur privatrechtlichen Ausgestaltung des Konzerns. Man denke nur an Haftungsfragen, die einer komplett neuen Regelung zugeführt werden müssten, die sich allenfalls von der privatrechtlich vorgesehenen Haftung von Konzerngesellschaften (bzw. der Organe) unterscheidet. Auch die Interaktion mit den Verfahrensbestimmungen oder auch den steuerlichen Umstrukturierungstatbeständen wäre genaustens zu analysieren. Insofern sprechen zwar gute Gründe für die Erfassung des Konzerns als eigenes Gewinnsteuersubjekt, jedoch bedarf es steuerpolitisch einer sauberen Abwägung der Vor- und Nachteile einer solchen Neugestaltung.

Zentrales Element einer Neukonzeptionierung der Konzernbesteuerung wäre eine Art Gruppenbesteuerung für Gewinnsteuerzwecke und diese wird in Reglis Arbeit zu Recht prominent behandelt. Im Kapitel zur Konzernergebnisermittlung geht der Autor auf diese Thematik ein. Eine Gruppengewinnbesteuerung kann verschieden ausgestaltet werden: als Zusammenrechnung der Einzelergebnisse oder Konsolidierung der Einzelergebnisse. Auch Mischformen sind denkbar und werden dargestellt. Regli wägt hier wiederum die Vor- und Nachteile der Varianten ab und zeigt sehr schön auf, dass selbstverständlich die gegenwärtige Aufteilung der Kompetenzen im Gewinnsteuerrecht dem Gesetzgeber Schranken setzt – besonders hinsichtlich einer Konsolidierung. Daneben verlangt die Einführung einer neuen Konzernergebnisermittlung für Gewinnsteuerzwecke u. U. wiederum eine Auseinandersetzung mit der interkantonalen Ausscheidung dieses Gewinns. Auch zu dieser Thematik finden sich spannende Ausführungen in Reglis Dissertation, wobei der Autor nicht nur auf die Gewinnsteuer fokussiert, sondern auch andere Steuerarten wie die Grundstückgewinn- und die Verrechnungssteuer berücksichtigt.

Schliesslich setzt sich Regli auch vertieft mit der Konzernumsatzermittlung insbesondere für Mehrwertsteuerzwecke auseinander. Die Frage der Konzernumsatzermittlung stellt sich aber auch bei der Handänderungssteuer oder bei den Stempelabgaben: Wie sind konzerninterne Umsätze steuerlich zu erfassen? Denkbar wäre die selbständige Besteuerung der Konzerngesellschaften bei gleichzeitiger Ausnahme der konzerninternen Umsätze oder auch eine steuerliche Konsolidierung der Konzerngesellschaften, was zu einer Nichterfassung der konzerninternen Umsätze führen würde. Wiederum setzt sich Regli mit diesen Varianten bezogen auf die genannten Steuern auseinander und zeigt in konziser Weise deren Vor- und Nachteile auf.

Die Arbeit ist die erste umfassende Arbeit zum Konzernsteuerrecht in der Schweiz und kann und soll als Grundlage dienen für weitere Untersuchungen in diesem Bereich. Sie zeigt auch die politische Brisanz der Thematik an verschiedenen Stellen auf. Besonders an der Frage der Kompetenzordnung in einer föderalen Struktur werden wohl verschiedene Reformvorschläge scheitern. Diese politische Komponente wird von Regli nicht einfach ignoriert, sondern vielmehr selbst zum Untersuchungsobjekt erklärt, was sehr überzeugend ist.

Die Arbeit von Regli bietet unterschiedliche, interessante und verschiedentlich auch rechtsvergleichende Einblicke in ein äusserst komplexes und vielschichtiges Themengebiet. Die Arbeit wird sehr hilfreich sein dabei, den künftigen Debatten zu einer umfassenden, steuerartenübergreifenden, aber auch einer kleineren, einzelsteuerbezogenen Reform der Konzernbesteuerung mehr Substanz zu geben. Eine Frage, die allenfalls in der Arbeit etwas zu kurz kommt, ist die Problematik eines besonderen Steuerrechts für besonders grosse Konzerne; gehen doch die Bestrebungen auf internationaler Ebene in die Richtung, nicht für Konzerne per se besondere Steuerbestimmungen einzuführen, sondern nur für Grosskonzerne. Beim «Country-by-Country-Reporting», das nur Konzerne vorlegen müssen, deren Umsätze über einer gewissen Schwelle liegen, ist dies bereits Realität; aber auch die Vorschläge unter Pillar 1 und 2 gehen in diese Richtung.

Die Konzernbesteuerung bleibt ein dynamisches Feld und die Arbeit von Regli zeigt sehr schön auf, dass gerade in sehr dynamischen Situationen Grundlagenarbeit besonders gefragt ist. Insofern ist die 2. Auflage zur richtigen Zeit erschienen und zur Lektüre zu empfehlen.

Peter Hongler, Prof. Dr. iur., Universität St. Gallen, Konsulent Walder Wyss AG, Direktor IFF-HSG, St. Gallen

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Fussnoten

BGer vom 25.2.2021, 2C_638/2020.