Name: Martin Zweifel
Beruf/Position: Selbständiger Rechtsanwalt (seit 2013), Titularprofessor für Steuerrecht an der Universität Zürich, Professor für Steuerrecht an der Kalaidos Law School und der ZLS Zurich Law School, Ehrenprofessor der Kalaidos Fachhochschule Schweiz, ehem. Präsident des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich und nebenamtlicher Bundesrichter, ehem. Präsident des Instituts für Schweizerisches und Internationales Steuerrecht (ISIS)
Familie: verheiratet mit Lucie; Kinder: Stefan (1978), Claudia (1981); Enkelin: Oona (2017).
Hobbys: Lesen, Reisen
Warum wurden Sie Richter und Professor im Steuerrecht?
Ich wollte weder das eine noch das andere werden, sondern kam zu beidem wie die Jungfrau zum Kind. Nach dem Rechtsstudium, dem Doktorat und der Assistenz an der Universität Zürich wollte ich Wirtschaftsanwalt werden. Das dafür erforderliche Praxisjahr absolvierte ich am Bezirksgericht Meilen, wo ich innert kurzer Zeit zum leitenden Gerichtsschreiber und vollamtlichen Ersatzrichter befördert wurde. Das weckte in mir die Freude am Richteramt und ich liess die Advokatur als Ziel fallen. Nun waren aber keine Bezirksrichterstellen vakant. Deshalb bewarb ich mich auf Rat eines Kollegen um ein Präsidium der Steuerrekurskommissionen (heute Steuerrekursgericht) des Kantons Zürich. Da ich damals von Steuerrecht nur wenig verstand, wurde ich vom Regierungsrat zunächst als Steuerkommissär der Einschätzungsabteilung 8 (heute Division Bau) gewählt, wo ich ein Jahr lang in der strengen, aber sehr guten Schule meines Chefs den Job eines Kommissärs von der Pike auf erlernte und auch den damaligen Einführungskurs für Steuerbeamte (zusammen mit meinem späteren Freund Bernhard Greminger) besuchte. So begann meine berufliche und akademische Karriere im Steuerrecht.
Werden Sie auf der Strasse erkannt?
Sehr selten, gelegentlich von früheren Seminarteilnehmenden und Studierenden.
Leben Sie für das Steuerrecht?
Die NZZ bezeichnete mich einmal als «Steuerrechtler mit Haut und Haaren». Mein Beruf hat in der Tat einen sehr wichtigen Teil meines Lebens ausgemacht. Ich bin Jurist aus Überzeugung geworden, da mich die Frage nach der gerechten Ordnung des menschlichen Zusammenlebens fasziniert hat. Deshalb habe ich immer das Gefühl gehabt, Glück zu haben, weil ich stets das habe machen können, was ich gerne und mit Freude tun wollte. Das ist beruflich und wissenschaftlich seit nunmehr 45 Jahren das Steuerrecht, es hätte aber auch ein anderes Rechtsgebiet sein können.
Wer oder was ist Ihre Muse?
Meine Frau Lucie in dem Sinn, dass sie mich in meiner beruflichen und akademischen Karriere stets unterstützt und ermuntert hat. Dafür bin ich ihr enorm dankbar.
Was war Ihr Berufswunsch als Kind – und warum ist nichts daraus geworden?
Mein Berufswunsch als Kind war Chemiker, Vorbild war mein Patenonkel. Ich experimentierte viel mit einem Chemiebaukasten und fand das alles sehr spannend. Als ich aber nach einigen Jahren Gymnasium feststellen musste, dass in der Chemie die Mathematik zentral war, war es mit dem Berufswunsch aus. Mathematik war nämlich gerade nicht mein stärkstes Fach.
Was bringt Sie auf die Palme?
Schludrigkeit, Gleichgültigkeit und Unbeweglichkeit.
Wie schalten Sie am Feierabend ab?
Indem ich lese, gerne auch Kriminalromane, meist im Original (Englisch, Französisch und Italienisch), oder indem ich leichte Kost am TV sehe.
Was tun Sie in Ihrer Freizeit? Haben Sie überhaupt welche?
Wenn man keine Freizeit hat, hat man vermutlich etwas falsch gemacht. Ich lese und wandere gerne.
Was haben Sie auf Ihrem Portraitfoto an der Angel und wie kam es dazu?
An der Angel zappelt ein veritabler Piranha, gefangen im Amazonas anlässlich einer Südamerika-Kreuzfahrt vor ein paar Jahren. Man beachte den Respekt des Anglers vor den messerscharfen Zähnen des gefürchteten Fisches!
Was tun Sie, wenn Ihre Kinder in Ihre Fussstapfen treten wollen?
Meine Kinder sind nicht in meine Fussstapfen getreten. Der Sohn ist Unternehmer geworden und führt sein eigenes Unternehmen, die Tochter ist bildende Künstlerin. Beides finde ich spannend und bereichernd, auch wenn die von meinen Kindern eingeschlagenen beruflichen Wege in der heutigen Zeit nicht einfach sind.
Welches Buch lesen Sie gerade?
«Death on the Nile» von Agatha Christie.
Was bevorzugen Sie: Städtetrip oder Wellness?
Beides hat seinen Reiz. Seit einigen Jahren haben meine Frau und ich auch die Annehmlichkeiten von Kreuzfahrten mit kleineren, komfortablen Schiffen schätzen gelernt, die uns nach Asien und Südamerika geführt haben. Ausserdem sind wir öfters in Berlin, wo unsere Tochter mit ihrer Familie lebt. Berlin ist zu meiner Lieblingsstadt geworden, sie hat ein unglaubliches Flair und ich fühle mich dort sehr wohl.
Gibt es etwas, dass Sie extrem nervt im Steuerbereich?
Ja, es sind vor allem zwei Tendenzen:
1. Die Fokussierung auf Rulings. Selbstverständlich bringen Rulings in der Praxis vor allem im Unternehmenssteuerrecht eine grosse Erleichterung und ich strebe sie in der Beratung ebenfalls an. Nun ist es aber so, dass vernünftige Rechtsgestaltungen vielfach unterbleiben, wenn die Steuerbehörde ein beantragtes Ruling verweigert. Die Unternehmensleitungen scheuen meist die Durchführung beabsichtigter Rechtsgestaltungen ohne Ruling, weil sie die Verantwortung für möglicherweise negative steuerliche Konsequenzen gegenüber Verwaltungsrat oder Aktionariat nicht übernehmen wollen. Die Steuerbehörden wiederum nützen ihren möglichen Entscheidungsbereich nicht aus und interpretieren Steuernormen unnötig restriktiv, weil sie ihrerseits befürchten, ihnen werde sonst gesetzwidrige Bevorzugung von Steuerpflichtigen vorgeworfen. Diese Ängstlichkeiten auf beiden Seiten führen dazu, dass der rechtsstaatliche Weg der Rechtsanwendung, der die justizmässige Lösung von Streitfragen vorsieht, auf einigen Steuerrechtsgebieten ausgehebelt wird.
2. Die Moralisierung im Steuerrecht. Die Erhebung von Steuern hat nichts mit Moral, sondern mit staatlicher Mittelbeschaffung zu tun. Wenn nun die Steuerpflichtigen danach trachten, Steuern zu sparen, indem sie Rechtsgestaltungen vornehmen, die nach dem Gesetz steuerfrei sind, so ist dies nicht unmoralisch, sondern legal. Es ist alsdann Sache des Gesetzgebers, vermeintliche oder echte Lücken der Steuergesetze zu schliessen, und nicht Aufgabe der Steuerbehörden. Allerdings üben hier die Medien einen grossen Druck auf Unternehmen und Behörden aus, ohne die Öffentlichkeit transparent über die rechtlichen Grundlagen aufzuklären. So wird etwa die Einschaltung einer Offshore-Gesellschaft zu Unrecht pauschal zu etwas Unmoralischem und Kriminellem erklärt.
Lieber ein Gläschen Rotwein oder ein Bier?
Ein Gläschen Weiss- oder Rotwein. Ich bin Weinliebhaber, habe aber auch gern ein feines Bier.
Haben Sie ein besonderes Weinerlebnis?
Von meinem ersten Lohn als Assistent an der Uni Zürich anfangs der 70er Jahre kaufte ich mir eine Flasche Lafite Rothschild 1967 zum für mich horrenden Preis von CHF 65.00. Die Idee war, diesen Wein zu einem ganz besonderen Anlass zu geniessen. Im Lauf der Jahre kamen und gingen besondere Anlässe, an die edle Flasche aber erinnerte ich mich jeweils erst danach. Gegen Ende der Achtzigerjahre während eines Abendessens, zu dem wir Freunde, die Weinkenner waren, eingeladen hatten (Bernhard Greminger und Markus Reich), fiel mir plötzlich der Lafite Rothschild ein und ich holte ihn aus dem Keller. Aus der allgemeinen Vorfreude auf den Premier Grand Cru wurde ein ebenso allgemeiner Frust. Der Wein war gut, aber eben – nicht so gut, wie wir gedacht hatten. Warum? Das weiss wohl nur Bacchus! (Anm. d. Red.: Curse of the sevens…)
Waren Sie ein guter Schüler?
In der Primarschule war ich Klassenbester, im Gymnasium war ich nur noch darauf erpicht, die Matura mit möglichst geringem Aufwand zu bestehen. Es ist mir gelungen.
Was hören sie am liebsten (Rock/Pop/Schlager/Klassik/Ländler)?
Es kommt auf die Gelegenheit an. Ich liebe klassische Musik und Opern, höre aber auch gerne Rock, Pop, Country und (älteren) Jazz, seltener Schlager und Ländler.
Welcher Persönlichkeit, die mit Steuern zu tun hat, würden Sie all diese Fragen auch gerne stellen?
Peter Böckli.