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Salut Annie Rochat Pauchard, TVA bien?*

Annie Rochat Pauchard beantwortet uns im Rendez vous unsere – nicht unbedingt fachspezifischen – Fragen.

Name: Annie Rochat Pauchard

Beruf/Position: Richterin und Präsidentin der Abteilung I des Bundesverwaltungsgerichts

Familie: ein Ehemann, ebenfalls Jurist

Hobbys: Tauchen, Wandern, Kino, Lesen

Warum wurden Sie Mehrwertsteuerexpertin?

In meinem Fall war es ein raffinierter Trick! Als ich 1991 von der Universität kam, bewarb ich mich auf eine Stellenanzeige, in der eine Person gesucht wurde, die sich für das Obligationenrecht interessiert. Es stellte sich heraus, dass es sich um eine Stelle als Jurist bei der Warenumsatzsteuer handelte! Der Chef schien nett zu sein. Ich war auf der Suche nach meiner ersten Arbeitsstelle und deshalb nicht wählerisch und nahm an. Ich habe diese Entscheidung nie bereut, denn es war ein aufregendes Abenteuer, die in der Folge neu eingeführte Mehrwertsteuer von Anfang an zu begleiten.

Haben Sie ein Lebensmotto – ein öffentliches und ein heimliches?

Sursum Corda! (Hoch die Herzen!) Das beschreibt gut die Mischung aus Mut und vielleicht auch etwas Leichtsinn, die es manchmal braucht, um bestimmte Situationen bei der Arbeit zu meistern.

Haben Sie eine (geheime) Leidenschaft (neben dem Steuerrecht)?

Sie ist nicht so geheim, denn jeder, der mich kennt, weiss, dass es das Tauchen ist. Ich habe das Tauchen mit Anfang 30 für mich entdeckt und es hat mich sosehr fasziniert, dass ich fast alles hingeschmissen hätte, um irgendwo am Strand Tauchlehrerin zu werden! Aber die Vernunft hat schliesslich doch gesiegt und ich bin Steuerberaterin geblieben. Ich verbringe jedoch jeden Urlaub «unter Wasser» und habe bereits über 1000 Tauchgänge absolviert.

Was war Ihr Berufswunsch als Kind – und warum ist nichts daraus geworden?

Ich wurde auf den Kanarischen Inseln geboren und verbrachte dort meine Kindheit, bevor ich in die Schweiz kam. Damals wollte ich Reiseleiterin werden, wie mein Vater es war. Heute führe ich Menschen durch das Gebäude des Bundesverwaltungsgerichts. Ich gehöre zum Fremdenführer-Team!

Welche drei Stichworte beschreiben Ihren Alltag?

Das Amt der Gerichtspräsidentin ist sehr anspruchsvoll. Ich bin für den reibungslosen Betrieb einer Einheit von 60 Personen verantwortlich und muss auch noch Zeit für die Rechtsprechung finden. Meine Tage sind geprägt von Sitzungen und Unvorhergesehenem. Gegen Ende des Nachmittags, wenn alles wieder ruhiger wird, kann ich mich endlich dem Studium der Akten widmen.

Was bringt Sie auf die Palme?

Menschen, die sich selbst nie hinterfragen und jede Bemerkung/Kritik als persönlichen Angriff auffassen.

Wie kommen Sie zur Ruhe?

Die kleinen Wunder eines jeden Augenblicks: eine schöne Blume im Garten, eine Katze, die herumspaziert und um eine Streicheleinheit bittet, ein Vogel, der singt, ein Lächeln, das ich auf der Strasse mit einer fremden Person austausche. Ich bin eine gute Beobachterin und achte auf kleine Details.

Was ist Ihr Lebensziel (und wo liegt Ihr Sehnsuchtsort)?

Mich in Französisch-Polynesien in der Nähe der Rangiroa-Meeresstrasse niederzulassen und jeden Morgen vor dem Frühstück zu tauchen!

Wie halten Sie Ihre Motivation im Job hoch?

Durch den Wunsch, es gut zu machen. Das war schon immer mein Antrieb.

Haben Sie auch mal die Nase voll von Ihrer momentanen Tätigkeit?

Ja, meine Beziehung zur Arbeit könnte man auch als Hassliebe bezeichnen. Wie schlimm ist es, Doktor?

Wie schalten Sie am Feierabend ab?

Leider bleibt mir nach der Arbeit oft nur sehr wenig Zeit übrig. Ich versuche jedoch, mir mindestens 45 Minuten Zeit für eine Folge einer guten Fernsehserie zu nehmen! So kann ich abschalten!

Städtetrip oder Wellness – was gefällt Ihnen besser?

Auf jeden Fall Städtetrip. In den Ferien kann ich kaum stillsitzen und muss alles besichtigen!

Gibt es etwas, das Sie extrem nervt im Steuerbereich?

Die Gesetzesrevisionen kommen immer in kürzeren Abständen. Kaum ist eine Revision in Kraft, wird schon die nächste eingeleitet. Auch die Rechtsprechung ist generell viel unbeständiger und weniger vorhersehbar geworden als früher. Diese beiden Indikatoren sind nicht gut für die Stabilität des Steuersystems, die doch eigentlich eine der grössten Stärken unseres Landes sein sollte.

Haben Sie ein Vorbild oder Vorbilder?

In meinem beruflichen Werdegang hatte ich immer das Glück, auf Vorgesetzte zu stossen, die inspirierend und vor allem bereit waren, mir als Frau eine echte Chance geben…

Lieber ein Gläschen Rotwein oder ein Bier?

Beides! Das hängt von den Umständen ab!

Waren Sie eine gute Schülerin?

Ja, aber ich war nicht die Klassenbeste. Ich wollte immer alles gut machen!

Was hören Sie am liebsten (Rock/Pop/Schlager/Klassik/Ländler)? Ich mag alles, aber am liebsten Pop- und Elektro-Musik, die ich schon immer gehört habe! Ich mag es, mich auf der Tanzfläche zu wilden Rhythmen auszutoben!

Übersetzung Léa Wäfler

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* Die Titelfrage ist eine Anspielung auf den Song Rap-tout (vampires) der Gruppe Les Inconnus, einem in den 90er Jahren sehr bekannten französischen Schlager über Steuern. “TVA bien?” Steht für “tout va bien?”.