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Bundesverwaltungsgericht (BVGer) 1/2020

Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Ausgabe 1/2020 der Zoll Revue). Mit Kurzkommentar.

Urteil A-643/2019 vom 11. September 2019

Nationales Transitverfahren. Transitfrist. Fristwiederherstellung. Nachträglicher Abschluss des Transitverfahrens.

Sachverhalt:

Die Firma B. AG als zugelassene Versenderin eröffnete am 3. Januar 2018 ein nationales Transitverfahren von der Abgangszollstelle Aarau zur Bestimmungszollstelle Basel St. Jakob, Dienstabteilung Rheinhäfen. Als Versenderin wurde die C. AG und als Empfänger «Verschiedene» angegeben. Die Transitfrist endete am 11. Januar 2018. Die A. AG wurde damit beauftragt, die vom Transitverfahren betroffene Ware von Basel nach Rotterdam zu transportieren. Aufgrund der Überschreitung des Hochwasserpegels in Basel wurde der Rhein am 4. Januar 2018 für die Schifffahrt gesperrt. Am 6. Januar 2018 wurde die Hochwassersperre wieder aufgehoben. Laut Aussage der A. AG sei die für den 5. Januar 2018 vorgesehene Ausfuhr der Ware deshalb nicht möglich gewesen. So habe sie ihre Auftraggeberin erst am 10. Januar 2018 darüber informieren können, dass die Ware am 13. Januar 2018 den Hafen verlassen würde. Die Ankunftsanmeldung im Transitverfahren wurde am 12. Januar 2018 vorgenommen, sodann vom EDV-System New Computerized Transitsystem (NCTS) aufgrund der abgelaufenen Transitfrist blockiert und in der Folge von einem Mitarbeiter der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) abgelehnt. Am 15. Januar 2018 reichte die D. AG ein Gesuch um nachträglichen Abschluss des Transitverfahrens ein. Mit Verfügung vom 19. April 2018 wies die zuständige Zollkreisdirektion (ZKD) das Gesuch ab und erhob die Einfuhrabgaben in der Höhe von CHF 97 379.–. Dies mit der Begründung, die Voraussetzungen nach Art. 49 Abs. 4 ZG seien infolge verspäteter Wiederausfuhr und fehlender Gründe zur Fristwiederherstellung nicht gegeben. Mit Beschwerdeentscheid vom 27. Dezember 2018 wies die Oberzolldirektion (OZD) die gegen die Verfügung vom 19. April 2018 erhobene Beschwerde der A. AG vom 18. Mai 2018 (inkl. Nachtrag vom 27. Juli 2018) kostenpflichtig und ohne Zusprechung einer Parteientschädigung ab. Sie erwog im Wesentlichen, die A. AG habe die Transitfrist versäumt und Letztere könne auch nicht wiederhergestellt werden.

Das Bundesverwaltungsgericht weist die dagegen erhobene Beschwerde ab.

Erwägungen:

Zoll- bzw. Abgabepflicht.

Waren, die ins schweizerische Zollgebiet verbracht werden, sind grundsätzlich zollpflichtig und unterliegen zudem grundsätzlich der Einfuhrmehrwertsteuer (Art. 50 ff. MWSTG). Sodann unterliegt die Einfuhr von Tabakfabrikaten sowie Erzeugnissen, die wie Tabak verwendet werden, der Tabaksteuer und bei der Einfuhr gebrannter Wasser zu Trink- und Genusszwecken ist eine Monopolgebühr zu entrichten. Wer flüchtige organische Verbindungen (VOC) einführt, hat grundsätzlich eine Lenkungsabgabe zu entrichten (ausführlicher: E. 2.1 f.).

Nationales Transitverfahren. Bedingte Zahlungspflicht.

Das nationale Transitverfahren gemäss Art. 49 ZG hat zum Zweck, die reine Beförderung von ausländischen Waren, d. h. Waren, die sich nicht im freien Verkehr befinden und somit unter Zollüberwachung stehen, im Zollgebiet zu ermöglichen. Voraussetzung für die Durchführung dieses Verfahrens ist die Veranlagung der Einfuhrzollabgaben [mit bedingter Zahlungspflicht] sowie die Identitätssicherung der Waren.

Im Transitverfahren werden die Einfuhrzollabgaben mit bedingter Zahlungspflicht erhoben (Art. 49 Abs. 2 Bst. a ZG). Wird das Verfahren nicht ordnungsgemäss und innert Frist abgeschlossen, werden Waren, die im Zollgebiet verbleiben, wie Waren behandelt, die in den zollrechtlich freien Verkehr überführt werden; die Abgaben werden grundsätzlich fällig (vgl. Art. 49 Abs. 3 ZG; Nichterhebungsverfahren). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Ware nicht innerhalb der festgesetzten Gültigkeitsfrist beim Bestimmungszollamt angemeldet oder wenn sie entgegen den Vorschriften im Transitverfahren während des Transports verändert wird. Erst mit ordnungsgemässem Abschluss des Verfahrens sind die Zollbeteiligten von ihren Verpflichtungen befreit und die bedingte Zollschuld erlischt (zum Ganzen: E. 2.3.2).

Transitfrist.

Für die Durchführung des Verfahrens gemäss Art. 49 ZG ist die jeweils festgesetzte Frist zu beachten, innert welcher die nämlichen Waren bei der Bestimmungszollstelle gestellt und summarisch angemeldet werden müssen (Art. 49 Abs. 2 Bst. c ZG). Die Frist richtet sich grundsätzlich nach der für die beabsichtigte Beförderung erforderlichen Zeit (Art. 154 Abs. 1 ZV) und kann aus wichtigen Gründen verlängert werden (Art. 154 Abs. 2 ZV). Die Fristansetzung soll verhindern, dass Waren im Transitverfahren gelagert werden können (E. 2.3.2).

Nachträglicher Abschluss des Transitverfahrens.

Erfolgt die Gestellung der Ware bei der Bestimmungszollstelle oder einem zugelassenen Empfänger erst nach Ablauf der Transitfrist, so ist der Abschluss des Transitverfahrens grundsätzlich zu verweigern. Es kann trotzdem ordnungsgemäss abgeschlossen werden, falls Hinderungsgründe vorliegen, die nicht im Einflussbereich des Transitanmelders oder Warenführers liegen, wie Unfall oder höhere Gewalt (z. B. gesperrte Verkehrswege). Der Transitanmelder muss über das Hindernis eine amtliche Bescheinigung vorlegen (Art. 45 der Zollverordnung der EZV vom 4. April 2007 [ZV-EZV; SR 631.013]). Die Zollstelle prüft die Verspätungsgründe sorgfältig. Bloss allgemeine Erklärungen anerkennt sie nicht (Richtlinie 14-02 der Sektion Zollverwaltung vom 8. August 2018 betreffend Nationales Transitverfahren, Ziff. 3.5.4; zum Ganzen: E. 2.5).

Fristwiederherstellung.

Das Zollgesetz enthält keine Bestimmungen über die Wiederherstellung einer Frist. Art. 24 Abs. 1 VwVG ist aufgrund von Art. 3 Bst. e VwVG nicht direkt anwendbar, kann aber analog angewendet werden, denn dieser Artikel entspricht dem allgemeinen Grundsatz des Rechts auf ein faires Verfahren. Demnach kann eine Frist auf Gesuch hin wiederhergestellt werden, wenn die gesuchstellende Person (oder ihr Vertreter) unverschuldet davon abgehalten worden ist, fristgemäss zu handeln. Hierfür muss sie innert 30 Tagen seit Wegfall des Hindernisses ein begründetes Begehren um Wiederherstellung einreichen und zugleich die versäumte Rechtshandlung nachholen (Art. 24 Abs. 1 VwVG). Die Wiederherstellung der versäumten Frist ist somit sowohl an formelle als auch materielle Voraussetzungen geknüpft. Sind erstere gegeben, ist auf ein entsprechendes Gesuch einzutreten; werden auch die weiteren Anforderungen erfüllt, ist es überdies gutzuheissen (E. 2.6.1). Als unverschuldet gilt ein Versäumnis dann, wenn der betroffenen Person keine Nachlässigkeit vorgeworfen werden kann und objektive Gründe, d. h. solche, auf die sie keinen Einfluss nehmen kann, vorliegen. Massgeblich sind nur solche Gründe, welche einer Person die Wahrung ihrer Interessen auch bei Einsatz der gehörigen Sorgfalt gänzlich verunmöglichen oder in unzumutbarer Weise erschweren. Die Verhinderung muss derart unvorhergesehen auftreten, dass es nicht mehr möglich ist, die Vornahme der geforderten Handlung durch eine Drittperson zu bewirken. Nicht als unverschuldete Hindernisse gelten namentlich Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften, Arbeitsüberlastung, Ferienabwesenheit oder organisatorische Unzulänglichkeiten. Taugliche Entschuldigungsgründe bilden etwa Naturkatastrophen, Militärdienst oder schwerwiegende Erkrankungen (E. 2.6.2).

Im vorliegenden Fall …

… wurde die Ankunftsanmeldung bei der Bestimmungszollstelle unbestrittenermassen am 12. Januar 2018 und damit einen Tag nach Ablauf der Transitfrist vorgenommen. Die Ware wurde somit nicht fristgerecht zur Löschung des Transitverfahrens bei der Bestimmungszollstelle angemeldet. Das Transitverfahren wurde dementsprechend nicht ordnungsgemäss abgeschlossen und die Einfuhrabgaben wurden grundsätzlich fällig (E. 3). Der von der A. AG dargelegte Grund für einen nachträglichen Abschluss des Transitverfahrens – die Hochwassersperre vom 4. Januar 2018, welche am 6. Januar 2018 wieder aufgehoben wurde – genügte vorliegend nicht: Die Ankunftsanmeldung bei der Bestimmungszollstelle Basel St. Jakob – das Transitverfahren betrifft den Transport zwischen der Abgangszollstelle Aarau und der Bestimmungszollstelle Basel – hätte nämlich trotz Hochwassersperre zwischen Basel und Rotterdam vorgenommen werden können. Des Weiteren hätte die A. AG genügend Zeit gehabt, eine Fristverlängerung nach Art. 154 Abs. 2 ZV zu beantragen. Dieses pflichtwidrige Unterlassen aller zumutbaren Vorkehrungen führt dazu, dass der Hochwasserstand auch nicht als höhere Gewalt gelten kann (ausführlich: E. 3.1). Die Hochwassersperre vom 4. Januar 2018 kann schliesslich auch keinen Entschuldigungsgrund für das Fristversäumnis im Sinne von Art. 24 Abs. 1 VwVG darstellen, da die Einhaltung der Transitfrist durch eine Einschränkung des Weitertransports nicht berührt wurde. Überdies hätte die A. AG ohnehin ein Gesuch um Fristverlängerung stellen können; ihr stand dafür ausreichend Zeit zur Verfügung (zum Ganzen: E. 3.2). Auf die Einfuhrabgaben konnte – insb. mangels Ausfuhrveranlagung – auch nicht teilweise verzichtet werden (E. 3.4).

Kurzkommentar:

Vgl. hierzu auch das Urteil des BVGer A‑5569/2018 vom 3. Juni 2019 in der Zoll Revue 3/2019, S. 49 ff. Wie bereits dort erwähnt, sind Waren im Transit- oder Versandverfahren hinsichtlich Zollabgaben grundsätzlich von Einfuhrabgaben befreit, da sie nur zur unmittelbaren Weiterbeförderung in ein Drittland oder an eine Zollstelle im Innern über die Zollgrenze gelangen und somit während der Dauer des Verfahrens für die Schweiz keinerlei wirtschaftliche Bedeutung erlangen. Gleichwohl lässt das Zollgesetz eine bedingte Zollforderung entstehen, die jedoch mit der Löschung des Verfahrens wieder dahinfällt (vgl. auch E. 2.3.1).

Im Zusammenhang mit der Fristwiederherstellung ist an Folgendes zu erinnern: Haben die Zollpflichtigen die Möglichkeit, vor Ablauf der Frist eine Erstreckung zu beantragen, so tun sie gut daran, dies zu veranlassen. Sie können nämlich nicht die Frist verstreichen lassen, um anschliessend eine Fristwiederherstellung zu beantragen (vgl. E. 3.2.2).

Urteil A-321/2019 vom 17. September 2019 (Urteil nicht rechtskräftig)

Zoll. Ursprungsnachweise. Nationales und internationales Recht. Freihandelsabkommen.

Sachverhalt:

Die zuständige Zollkreisdirektion (ZKD) erliess am 12. Oktober 2016 eine Verfügung, mit welcher sie von der X. GmbH Einfuhrabgaben (Zölle und Einfuhrmehrwertsteuern) von insgesamt CHF 1 013 184.15 sowie Verzugszins von CHF 27 468.55 nachforderte. Zur Begründung erklärte die ZKD, nach Erkenntnissen der Zollverwaltung seien im Zeitraum vom 3. Januar 2012 bis zum 9. Februar 2016 «insgesamt 9931 Tarifzeilen zu Unrecht unter Anwendung des Präferenzzollansatzes durch die Firma X. GmbH dem Schweizer Zoll zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet» worden. Weiter führte die Zollverwaltung im Wesentlichen aus, die aufgrund der unrichtigen Zollanmeldungen bzw. Widerhandlungen gegen die Verwaltungsgesetzgebung des Bundes zu Unrecht nicht erhobenen Abgaben seien nachzuentrichten. Die gegen diese Nachforderungsverfügung am 16. November 2016 erhobene Beschwerde der X. GmbH wurde von der Oberzolldirektion (OZD) mit Beschwerdeentscheid vom 30. November 2018 teilweise gutgeheissen. Die OZD setzte dabei den Nachforderungsbetrag und den Verzugszins neu auf total CHF 938 416.70 fest. Im Übrigen wies sie die Beschwerde ab.

Das Bundesverwaltungsgericht weist die dagegen erhobene Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Erwägungen:

Veranlagungs-, Zuführungs- und Anmeldepflicht. Ursprungsnachweise nach schweizerischem Recht.

Grundsätzlich sind Waren, die ins schweizerische Zollgebiet verbracht werden, zollpflichtig und nach dem ZG sowie nach dem Zolltarifgesetz vom 9. Oktober 1986 (ZTG, SR 632.10) zu veranlagen (Art. 7 ZG). Solche Gegenstände unterliegen zudem grundsätzlich der Einfuhrmehrwertsteuer (E. 3.1). Grundlage für die Bemessung der Zollabgaben ist grundsätzlich das Warenbruttogewicht, wobei die Einfuhrmehrwertsteuer auf dem Entgelt oder auf dem Marktwert berechnet wird (E. 3.2). Zum Kreis der Zuführungspflichtigen gehören insb. der Warenführer, die mit der Zuführung beauftragte Person, der Importeur, der Empfänger, der Versender und der Auftraggeber. Anmeldepflichtig sind neben den zuführungspflichtigen Personen insb. auch Personen, die mit der Zollanmeldung beauftragt sind; so insb. Spediteure oder Zolldeklaranten, die gewerbsmässig Zollanmeldungen ausstellen (E. 3.3). Zu den Begleitdokumenten bei der Zollanmeldung gehören auch Ursprungsnachweise. Fehlen die Ursprungsnachweise zum Zeitpunkt der Zollanmeldung, muss im Rahmen der Anmeldung nach schweizerischem innerstaatlichem Recht eine provisorische Veranlagung beantragt werden, ansonsten verliert die Ware ihren präferenziellen Ursprung und ist zum Normaltarif zu verzollen (E. 3.4.3). Mit der Möglichkeit der provisorischen Verzollung stellt der Gesetzgeber ein Instrumentarium zur Verfügung, mit dem sich Unsicherheiten im Zeitpunkt der Abfertigung berücksichtigen lassen (E. 8.3.2.1).

Ursprungsregeln des FHA.

Das Abkommen vom 22. Juli 1972 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Freihandelsabkommen, FHA, SR 0.632.401) bezweckt insbesondere, die Einfuhrzölle für zahlreiche Ursprungserzeugnisse der Gemeinschaft (bzw. der Europäischen Union [EU]) und der Schweiz zu beseitigen (vgl. Art. 1 ff. FHA). Gemäss Art. 11 FHA legt das Protokoll Nr. 3 (SR 0.632.401.3) die Ursprungsregeln fest (E. 3.5.1). Dieses wiederum verweist in Art. 1 hinsichtlich der Ursprungsregelungen auf die Anlagen I und II des Regionalen Übereinkommens vom 15. Juni 2011 über Pan-Europa-Mittelmeer-Präferenzursprungsregeln (SR 0.946.31). Anlage I dieses Übereinkommens enthält u. a. allgemeine Regeln für die Bestimmung des Begriffs «Erzeugnisse mit Ursprung in» oder «Ursprungserzeugnisse» und die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen (E. 3.5.1). Die «Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 oder EUR-MED» – als Ursprungsnachweis – kann ausnahmsweise gemäss bestimmten internationalen Regelungen nach der Ausfuhr der Erzeugnisse, auf welche sie sich bezieht, ausgestellt werden, wenn sie aufgrund eines Irrtums, eines unverschuldeten Versehens oder besonderer Umstände zum Zeitpunkt der Ausfuhr nicht ausgestellt worden ist. Die «Erklärung auf der Rechnung» bzw. die «Ursprungserklärung» oder die «Erklärung auf der Rechnung EUR-MED» bzw. die «Ursprungserklärung EUR-MED» kann vom Ausführer bei der Ausfuhr der betroffenen Erzeugnisse oder nach deren Ausfuhr ausgefertigt werden, sofern sie im Einfuhrland spätestens zwei Jahre nach der Einfuhr der betroffenen Erzeugnisse vorgelegt wird (E. 3.5.4). Die Ursprungsnachweise sind den Zollbehörden des Einfuhrstaates nach den dort geltenden Verfahrensvorschriften vorzulegen. Diese Behörden können eine Übersetzung des Ursprungsnachweises verlangen sowie fordern, dass die Einfuhrzollanmeldung durch eine Erklärung des Einführers ergänzt wird, aus welcher hervorgeht, dass die Erzeugnisse die Voraussetzungen des einschlägigen Abkommens erfüllen (E. 3.5.5).

Nachbezugsverfahren bei nachträglicher Prüfung des Ursprungsnachweises.

Gemäss Art. 12 Abs. 1 Bst. a des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR, SR 313.0) sind Abgaben nachzuentrichten, wenn sie infolge einer Widerhandlung gegen die Verwaltungsgesetzgebung des Bundes zu Unrecht nicht erhoben worden sind. Diese Leistungspflicht hängt weder von einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit noch von einem Verschulden oder gar der Einleitung eines Strafverfahrens ab (E. 3.7).

Vertrauensschutz.

Nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes haben die Privaten Anspruch auf Schutz in ihrem berechtigten Vertrauen in behördliche Zusicherungen oder in anderes Verhalten der Behörden, das bestimmte Erwartungen begründet. Für die erfolgreiche Geltendmachung des Vertrauensschutzprinzips bedarf es zunächst einer Vertrauensgrundlage. Die Duldung eines rechtswidrigen Zustandes kann in Ausnahmefällen eine Vertrauensgrundlage schaffen, bspw. wenn die Behörden den rechtswidrigen Zustand zuvor über Jahre hinweg geduldet hatten, obschon ihnen die Gesetzwidrigkeit bekannt war oder sie diese bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätten kennen müssen. Für den Ausschluss des Vertrauensschutzes genügt es jedoch, wenn der Betroffene wusste oder bei zumutbarer Sorgfalt wissen musste, dass der Zustand unrechtmässig war («böser Glaube»). Nebst einer Vertrauensgrundlage müssen verschiedene weitere Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein, damit sich die Privatperson mit Erfolg auf das Vertrauensschutzprinzip berufen kann. Vorausgesetzt wird u. a., dass diejenige Person, die sich auf Vertrauensschutz beruft, berechtigterweise auf diese Grundlage vertrauen durfte und gestützt darauf nachteilige Dispositionen getroffen hat, die sie nicht mehr rückgängig machen kann (ausführlich: E. 2.3).

Im vorliegenden Fall …

… war strittig und zu prüfen, ob die Vorinstanz in rechtskonformer Weise Einfuhrabgaben infolge zu Unrecht erfolgter Präferenzabfertigungen nacherhoben hat. Für die diesbezüglich in Frage stehenden Einfuhren wurde u. a. jeweils kein Antrag auf eine provisorische Veranlagung gestellt, sondern um definitive Präferenzverzollung ersucht (hierfür wäre – wie gesehen – im Zeitpunkt der Zollanmeldung ein rechtlich vorgesehener, gültiger Ursprungsnachweis erforderlich; selbst bei einem Selektionsergebnis «frei ohne» [E. 3.4.3 und E. 8.1]). Vorliegend hatte die X. GmbH bei den im elektronischen System als «frei ohne» selektionierten Einfuhren aber gerade keine Ursprungsnachweise ausgedruckt und unterschrieben, sondern wollte dies im Nachhinein noch tun. Solche nach der erfolgten definitiven Präferenzveranlagung ausgestellten Ursprungsnachweise konnten vorliegend nicht zugunsten der X. GmbH berücksichtigt werden. Die Vorinstanz hat den rechtserheblichen Sachverhalt weder unrichtig noch unvollständig festgestellt (E. 9) und ist auch ihrer Untersuchungspflicht nachgekommen (E. 10). Im Umstand, dass die Zollverwaltung seit dem Abschluss einer Kontrolle im Juni 2015 angeblich nichts gegen die im Fall der X. GmbH unzulässigerweise (weiterhin) ohne gültige Ursprungsnachweise erfolgten Präferenzverzollungen der mit «frei ohne» selektionierten Einfuhren unternommen hat, ist keine den Anspruch auf Vertrauensschutz vermittelnde Vertrauensgrundlage zu erblicken (E. 12.2.6).

Kurzkommentar:

Eine Ausnahme von der Regel, dass bei einer definitiven Präferenzveranlagung der nach dem einschlägigen Abkommensrecht erforderliche Ursprungsnachweis im Zeitpunkt der Anmeldung zur Veranlagung bestehen muss, lässt sich weder aus den Vorschriften zur provisorischen Veranlagung noch aus den Ausführungen in der Botschaft des Bundesrates ableiten. Auch aus dem übrigen landesinternen schweizerischen Zollrecht ergibt sich keine solche. Vielmehr steht die gefestigte Rechtsprechung, wonach das Fehlen des rechtlich vorgesehenen gültigen Ursprungsnachweises im Zeitpunkt der Anmeldung zur definitiven Zollveranlagung einen Verlust des präferenziellen Ursprungs der Ware als Bemessungsgrundlage bedeutet, in Einklang mit dem schweizerischen landesinternen Zollrecht (vgl. E. 8.3.2). Diese schweizerische Rechtsprechung ist auch im Anwendungsbereich des FHA nicht abkommenswidrig, da mit der statuierten Möglichkeit der provisorischen Veranlagung die erforderlichen Grundlagen bestehen, damit sich die Regelung des FHA, wonach die erforderliche Ursprungsbescheinigung in bestimmten Fällen ausnahmsweise nach der Ausfuhr ausgestellt werden kann – gegebenenfalls auch unter Vorlage der Ursprungsnachweise nach der Einfuhr –, tatsächlich in Anspruch nehmen lässt. Es ist nämlich nicht ersichtlich, inwieweit das FHA gebieten sollte, darüber hinaus auch bei definitiven Veranlagungen (und unter Unbeachtlichkeit von Art. 34 ZG) nachträglich, also nach der Anmeldung zur Veranlagung erstellte Ursprungsnachweise zuzulassen (ausführlich: E. 8.4 f.).

Urteil A-4632/2019 vom 14. Oktober 2019

Einfuhrabgaben. Nachleistungspflicht. Rückweisung. Untersuchungspflicht.

Sachverhalt:

Am 10. August 2015 erliess die zuständige Zollkreisdirektion (ZKD) zwei Nachforderungsverfügungen, mit welchen sie A. und die B. AG für solidarisch leistungspflichtig erklärte. Der jeweils geschuldete Betrag entsprach der Differenz zwischen den Abgaben gemäss nachträglich vorgenommenen Abrechnungen zum günstigeren Kontingentszollansatz und jenen Abgaben, die sich ergeben hätten, wenn bei den Einfuhren verschiedener, namentlich genannter Pferde zum Ausserkontingentszollansatz abgerechnet worden wäre. Dagegen erhoben A. und die B. AG mit gemeinsamer Eingabe Beschwerde bei der Oberzolldirektion (OZD), welche mit separaten Entscheiden vom 4. November 2016 die Beschwerde von A. teilweise guthiess und jene der B. AG abwies. Gegen diese Beschwerdeentscheide erhoben A. und die B. AG am 5. Dezember 2016 separat Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht, welches die Beschwerdeverfahren vereinigte und die Beschwerden mit Urteil A-7503/2016, A-7513/2016 vom 16. Januar 2018 abwies. Die wiederum gegen dieses Urteil am 19. Februar 2018 erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht hiess Letzteres mit Urteil 2C_177/2018 vom 22. August 2019 teilweise gut, hob das angefochtene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auf und wies das Verfahren zur weiteren Sachverhaltsfeststellung und Neubeurteilung an das Bundesverwaltungsgericht zurück, soweit die Einfuhr der Pferde C., D. und E. betroffen sei. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab.

Das Bundesverwaltungsgericht heisst die erhobenen Beschwerden im zweiten Rechtsgang insoweit gut, als die angefochtenen Beschwerdeentscheide in Bezug auf die Pferde C., D. und E. aufgehoben werden, und weist die Sache im Sinne der Erwägungen zu weiteren Abklärungen sowie neuem Entscheid an die Vorinstanz zurück. Im Übrigen weist das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden ab.

Erwägungen:

Rückweisung.

Gemäss Art. 61 Abs. 1 VwVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in der Sache oder weist diese ausnahmsweise mit verbindlichen Weisungen an die jeweilige Vorinstanz zurück. Letzteres ist namentlich dann angezeigt, wenn eine aufwendigere Beweiserhebung nachgeholt werden muss, sind doch (im Vergleich zum Bundesverwaltungsgericht) die Vorinstanzen mit den tatsächlichen Verhältnissen besser vertraut und aufgrund ihrer funktionellen und instrumentellen Ausstattung in der Regel eher in der Lage, die erforderlichen Abklärungen durchzuführen und mit den Parteien in direkten Kontakt zu treten. Daher kann es sich unter Umständen rechtfertigen, eine vom Bundesgericht ans Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesene Sache weiter an die Vorinstanz zurückzuweisen («renvoi sur renvoi», E. 1.1 f.).

Untersuchungspflicht.

Laut Art. 12 VwVG müssen sämtliche rechtserheblichen Tatsachen durch das Gericht abgeklärt werden, wobei Letzteres insbesondere verpflichtet ist, die rechtserheblichen Tatsachenbehauptungen der Parteien zu würdigen und angebotene Beweismittel abzunehmen, wenn sie zur Abklärung des Sachverhalts tauglich erscheinen (E. 2.1).

Im vorliegenden Fall …

… hat das Bundesgericht erwogen, das Bundesverwaltungsgericht habe verschiedene von A. und der B. AG anerbotene Beweise nicht abgenommen, obwohl sich diese als rechtserheblich erweisen könnten. Insoweit sei das Verfahren nicht spruchreif. Gleiches gelte für die Würdigung von Beweisen, die für unerheblich befunden worden seien, womit die Untersuchungspflicht verletzt worden sei (E. 2.1). Das Bundesverwaltungsgericht befand, soweit das Bundesgericht eine ungenügende Erhebung bzw. Abnahme und Würdigung von Beweisen durch das Bundesverwaltungsgericht rüge, lasse sich derselbe Vorwurf gegenüber der Vorinstanz erheben. Es habe im Lichte des höchstrichterlichen Urteils zu Unrecht die Beweiserhebung und -würdigung durch die Vorinstanz geschützt. Folglich habe sich die Vorinstanz mit den noch zu erhebenden und einigen bereits in den Akten liegenden Beweismitteln genauso wenig auseinandergesetzt wie das Bundesverwaltungsgericht. Damit habe auch die Vorinstanz den Sachverhalt nicht richtig festgestellt, weshalb schon der Beschwerdeentscheid der Vorinstanz am gleichen Mangel leide wie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (E. 2.2). Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, bei der Vorinstanz handle es sich zudem um eine Behörde mit ausgewiesenen Fachkenntnissen, namentlich im hier einschlägigen Bereich der grenzüberschreitenden Bewegung von Waren bzw. Tieren, und den entsprechenden Zollformalitäten und -verfahren usw., weshalb es sich insgesamt als sinnvoll erweise, dass die Vorinstanz die vom Bundesgericht auferlegten Beweismassnahmen (hierzu ausführlich: E. 2.4) durchführe und die Beweise entsprechend würdige, bevor sich allenfalls das Bundesverwaltungsgericht wiederum mit der Sache befasse (E. 2.3).

Kurzkommentar:

Das Vorgehen des Bundesverwaltungsgerichts in diesem Verfahren ist gerade auch mit Blick auf den doppelten Instanzenzug zu befürworten. Eine «alleinige» Beweiserhebung und Beurteilung der Sache durch das Bundesverwaltungsgericht ohne vorgängige Prüfung durch die Vorinstanz könnte nämlich insbesondere in Bezug auf die noch gar nicht erhobenen Beweise den Rechtsweg verkürzen. Durch eine Rückweisung bleibt hingegen der doppelte Instanzenzug erhalten (vgl. E. 2.3).

Urteil A-5136/2018 vom 9. Dezember 2019

Zoll. Tarifeinreihung von Fruchtmischsaftkonzentrat.

Sachverhalt:

Am 28. September 2017 meldete die Spediteurin bei der zuständigen Zollstelle im «e-dec»-Verfahren eine für die A. AG bestimmte Sendung «Fruchtsaftmischung» der Versenderin zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. In der Einfuhrzollanmeldung wurde die Fruchtsaftmischung unter die Zolltarifnummer 2009.9099 (CHF 18.00 je 100 kg brutto) tarifiert. Das Selektionsergebnis lautete auf «gesperrt». Die Veranlagung erfolgte nach formeller Überprüfung aufgrund des verbindlichen Antrags des Anmelders und ohne Beschau durch die Zollstelle. Innert einer Stunde nach Übermittlung der Einfuhrzollanmeldung ersuchte die Spediteurin die Zollverwaltung um eine Tarifauskunft betreffend die strittigen Artikel, wobei dieser Anfrage u. a. Artikelbeschreibung und Spezifikationen beilagen. Nach der Freigabe zur weiteren Verarbeitung erstellte das EDV-System mit Datum vom 9. Oktober 2017 eine Veranlagungsverfügung über einen Zollbetrag von CHF 1679.65. Nach Erhalt der verbindlichen Zolltarifauskunft der Oberzolldirektion (OZD) vom 10. Oktober 2017 betreffend die nachgefragten Artikel, mit welcher diese der Zolltarifnummer 2009.9030 (CHF 782.00 je 100 kg brutto) zugeordnet wurden, teilte die Spediteurin diese Auskunft der OZD der Zollstelle mit. Mit Schreiben vom 3. November 2017 reichte die Spediteurin im Auftrag der A. AG ein Gesuch um Zollrückerstattung für ausländische Rückwaren bei der Zollstelle ein, da die Fruchtsäfte aufgrund des höheren Zollansatzes unverkäuflich geworden seien. Die betreffenden Waren wurden mit einer Ausfuhrzollanmeldung am 6. November 2017 ausgeführt. Anlässlich der Bearbeitung des Rückerstattungsgesuchs stellte die Zollstelle fest, dass ein Teil der Fruchtsäfte in der Schweiz verbleiben würde und dieser gemäss Tarifauskunft veranlagt werden müsse. In der Folge verlangte die Zollstelle von der Spediteurin die Übermittlung eines entsprechenden Berichtigungsantrags. In der neuen Einfuhrzollanmeldung wurden die streitbetroffenen Produkte unter die Zolltarifnummer 2009.9030 (CHF 782.00 je 100 kg brutto) tarifiert und antragsgemäss angenommen. Die «neue» Veranlagungsverfügung vom 10. November 2017 lautete dabei auf einen Zollbetrag von CHF 72 971.55. Gleichentags nahm die Zollstelle die Rückerstattung der Zollabgaben für die wiederausgeführten Waren (ausländische Rückwaren) vor. Gegen diese Veranlagungsverfügung erhob die A. AG mit Eingabe vom 24. Januar 2018 Beschwerde bei der Zollkreisdirektion (ZKD) und machte geltend, die Einreihung der fraglichen Waren unter die Zolltarifnummer 2009.9030 sei nicht korrekt und zu überprüfen. Allenfalls sei eine Einreihung unter die Zolltarifnummer 2009.9099 zu veranlassen. Ein Berichtigungsantrag im System «e-dec» wurde nicht übermittelt. Die ZKD informierte die A. AG mit Schreiben vom 11. April 2018 darüber, dass aufgrund der eingereichten Unterlagen «eine abschliessende Tarifeinreihung nicht möglich sei». Es obliege jedoch der A. AG, den Beweis zu erbringen, dass der Anteil an Traubensaft in rückverdünntem Zustand weniger als 50% im Verhältnis zu den übrigen zu berücksichtigenden Inhaltsstoffen betrage. Die A. AG reichte am 29. Mai 2018 bei der ZKD die Analyse eines Labors ein. Die Berechnung des Labors stützte sich auf die (bereits bekannten) Inhaltsangaben der Versenderin der strittigen Ware, wobei die Laboranalyse einen massgeblichen Gehalt an Traubensaft von 48,2% im Verhältnis zu den übrigen Inhaltsstoffen ergab. Mit Beschwerdeentscheid vom 6. Juli 2018 wies die ZKD die Beschwerde der A. AG ab und erwog namentlich, gemäss ihrer Berechnung ergebe sich im vorliegenden Fall ein Traubensaftgehalt in der rückverdünnten Mischung von 52,2%, welcher die Einreihung unter die Zolltarifnummer 2009.9030 begründe. Sodann berief sie sich auf die gleichlautende Tarifauskunft. Kurz darauf entschuldigte sich die Versenderin der Ware bei der A. AG wegen eines Schreibfehlers in der zuerst eingereichten Liste: Der richtige Brix-Wert für Ananassaftkonzentrat sei 60 und nicht wie versehentlich angegeben 12,8. Letzterer Wert entspreche dem Brix-Wert von Ananassaft (nicht konzentriert).

Das Bundesverwaltungsgericht heisst die dagegen erhobene Beschwerde gut, soweit darauf eingetreten wird, und weist die Sache zur Neubeurteilung der Zollabgabe im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.

Erwägungen:

Beschau, Zollbefund und Tarifeinreihung.

Das Ergebnis der Beschau, der sog. Zollbefund, wird schriftlich festgehalten und bildet die Grundlage für die Veranlagung sowie allfällige weitere Verfahren (Art. 37 Abs. 3 ZG). Der Zollbefund ersetzt demnach – selbst bei einer bloss stichprobenweise erfolgten Prüfung – die eigentliche Zollanmeldung und tritt an deren Stelle (Art. 37 Abs. 1 und 3 ZG, E. 2.1.3). Ausführungen zum Generaltarif, dem HS-Übereinkommen und dem Gebrauchstarif (E. 2.2). Für die Tarifeinreihung massgebend sind die Art, Menge und Beschaffenheit der Ware im Zeitpunkt, in dem diese der Zollstelle angemeldet wird, sowie die Zollansätze und Bemessungsgrundlagen, die im Zeitpunkt der Entstehung der Zollschuld gelten (E. 2.3.1).

Brix-Wert.

«Grad Brix» ist eine Masseinheit der relativen Dichte von Flüssigkeiten. Eine Flüssigkeit weist 1 Grad Brix (°Bx) auf, wenn sie dieselbe Dichte hat wie eine einprozentige Zuckerlösung (also 1 g Saccharose auf 99 g Wasser). Der Brix-Wert wird dazu verwendet, das Massenverhältnis von Zucker und Wasser zu bestimmen, wenn eine bestimmte Menge Zucker in der Lösung enthalten ist. Da direkter Fruchtsaft in der Regel im Verhältnis mehr Wasser enthält als Fruchtsaftkonzentrat, ist der Brix-Wert eines Konzentrats in den allermeisten Fällen höher als derjenige des ursprünglichen Direktsaftes (vgl. ausführlich: E. 2.3.3).

Tarifeinreihung von Fruchtsaftmischung. Erläuterungen zur Tarifnummer 2009.9030.

Gemäss den Schweizerischen Erläuterungen zu den Tarifnummern 2009.9030/9039 fallen unter die genannten Tarifnummern Mischungen von Säften, die über 50% Trauben- und/oder Kernobstsaft enthalten, eingedickt. Massgebend für die Berechnung sind die Anteile in der rückverdünnten Mischung (E. 2.3.2). Den Erläuterungen zur Tarifnummer 2009 zufolge können gewisse eingedickte Säfte aufgrund ihres Brix-Wertes von den entsprechenden nicht eingedickten Säften unterschieden werden. Unter rückverdünnten Säften sind eingedickte Säfte zu verstehen, denen Wasser in einer Menge zugesetzt wurde, wie es in entsprechenden nicht eingedickten Säften üblicher Beschaffenheit enthalten ist (vgl. E. 3.4.1).

Methode zur Berechnung der Anteile in der rückverdünnten Mischung.

Zur Berechnung der Anteile der einzelnen Saftkomponenten in der rückverdünnten Mischung sind die Brix-Werte dieser Saftkomponenten im Konzentrat mit den Brix-Werten der natürlichen Säfte ins Verhältnis zu setzen. Der so errechnete Konzentrationsgrad der einzelnen Saftkomponenten ist mit ihrem jeweiligen Anteil im Fruchtmischsaftkonzentrat zu multiplizieren und das sich hieraus ergebende Resultat anschliessend mit der Gesamtmenge des rückverdünnten Fruchtsafts ins Verhältnis zu setzen (E. 3.4.1).

Im vorliegenden Fall …

… war zu Recht nicht bestritten, dass es sich beim Fruchtmischsaftkonzentrat um einen eingedickten Mischsaft handelt. Streitig und zu prüfen war, ob das eingeführte Fruchtmischsaftkonzentrat unter die Tarifnummer 2009.9099 oder die Tarifnummer 2009.9030 einzureihen ist. Dabei ist entscheidend, ob der Traubensaftanteil in der rückverdünnten Mischung über (2009.9030) oder unter (2009.9099) 50% beträgt. Die A. AG machte insb. geltend, die Berechnung durch die Zollverwaltung sei pflichtwidrig anhand falscher Zahlen vorgenommen worden (E. 3.1 ff.). Die Vorinstanz berechnete den massgebenden Traubensaftanteil anhand der Angaben, welche die Spediteurin anlässlich ihrer Anfrage vom 28. September 2019 eingereicht hatte (E. 3.4). Die Zollbehörde hätte aber für die rechtmässige Tarifierung im vorliegenden Fall nicht einfach auf die Angaben der zollpflichtigen Person abstellen dürfen. Sie hat nämlich übersehen, dass betreffend das Ananassaftkonzentrat der Brix-Wert des Konzentrats jenem des rückverdünnten Saftes entsprach, was offensichtlich nicht stimmen kann. Anlässlich ihrer Berechnungen zur Erteilung der Tarif-Auskunft hätte der Vorinstanz dies ins Auge springen müssen. Unter diesen Umständen gebietet es der Untersuchungsgrundsatz, und im Übrigen auch der Grundsatz des Handelns nach Treu und Glauben, dass augenfällige Fehler in diesen Angaben – welche sich nota bene unbestrittenermassen unmittelbar auf das Resultat der Berechnung auswirken – angesprochen und der Korrektur zugänglich gemacht werden (zum Ganzen: E. 3.4.2). Der für die Tarifierung relevante Traubensaftanteil beläuft sich auf 48,2% und liegt somit unter 50% (zur Berechnung: E. 3.4.5).

Kurzkommentar:

Vergleiche hierzu auch das Urteil des BVGer A‑7486/2016 vom 14. Dezember 2017 in der Zoll Revue 1/2018 (S. 45 ff.). Dort anerkannte das Bundesverwaltungsgericht den Einwand der Beschwerdeführerin, die ZKD bzw. OZD würde mit verschiedenen Brix-Werten operieren, als nachvollziehbar. Insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit sei es nämlich unerlässlich, dass die Zollschuldnerinnen und Zollschuldner die anwendbare Zolltarifnummer selbst zweifelsfrei errechnen können. Dazu sei die Publikation verbindlicher Brix-Werte unabdingbar. Dieser Anweisung wurde mittels einer Präzision der einschlägigen Erläuterungen per 1. April 2018 Folge geleistet. Neu heisst es: «Hierher gehören Mischungen von Säften, die über 50% Trauben- und/oder Kernobstsaft enthalten, eingedickt. Massgebend für die Berechnung sind dabei die Anteile in der rückverdünnten Mischung. Zusätze von unter den Ziffern 1–4 der vorstehenden Erläuterungen genannten Stoffen sowie der Mischung bereits zugesetztes Wasser bleiben dabei unberücksichtigt. Als rückverdünnte Säfte gelten eingedickte Säfte, denen Wasser in einer Menge zugesetzt wurde, wie es in entsprechenden nicht eingedickten Säften üblicher Beschaffenheit enthalten ist. Für die Berechnung der natürlichen Saftanteile werden die vom Wassergehalt abgeleiteten Brix-Werte aus der Fachliteratur ‹Souci-Fachmann-Kraut, Nährwert-Tabellen› verwendet. Sofern dort keine aussagekräftigen Angaben zu finden sind, können andere Quellen in Betracht gezogen werden.»